Um die Wurst (German Edition)
Innere. »Soll ich zumachen?«, fragte sie. Sie wusste, dass Killian das Abendlicht mochte. Und die Tür war die einzige Öffnung zum natürlichen Licht, die Killians Atelier besaß. Ansonsten glich der Raum einer düsteren Höhle, in der sich ein Eremit an der Finsternis erfreute.
»Mach zu, ich habe heute keinen Blick mehr für die Schönheit der Welt«, sagte Killian und knipste einige Strahler an, die das Atelier erhellten.
Bärbel schloss die Tür.
»Kaffee?«, fragte er und verschwand in der Küche.
»Gerne.« In Bärbels Kopf kreisten hundert Fragen, mindestens zehn davon lagen ihr bereits auf der Zungenspitze. Aber sie hielt sie zurück. Es war badisches Ritual, dass man nur etwas erfuhr, wenn man nicht zu viel fragte. Ein Paradoxon, aber es galt.
Sie wartete, so geduldig sie konnte, bis Killian mit dem Kaffee und einer Tasse mit heißem Wasser aus der Küche zurückkam, nahm den Kaffee und nippte daran. Noch immer wurde kein Wort gesprochen. Killian konnte zäh sein. Fast hatte Bärbel den Verdacht, er spannte sie mit Fleiß auf die Folter.
Killian setzte sich auf das barocke Sofa und bat sie per Handzeichen, auf einem Holzstuhl Platz zu nehmen.
Sie setzte sich auf die Schmutzwäsche, die den Stuhl belagerte. Was blieb ihr übrig? Auf dem Sofa wäre noch Platz gewesen, aber da Killian sie anscheinend nicht neben sich haben wollte, pflanzte sie sich eben dorthin, wohin er sie dirigierte.
Er schwang die Beine aufs Sofa und streckte sich aus. Dabei stöhnte er leise auf.
Erst jetzt bemerkte Bärbel, dass er eine Schramme im Gesicht hatte. »Mein Gott, wie siehst du denn aus?«, fragte sie erschrocken, sprang auf, setzte sich an die Kante des Sofas und untersuchte sein geschwollenes Gesicht.
»Da muss Eis drauf, sonst siehst du morgen aus wie Nicole Kidman nach der letzten Botoxspritze«, sagte sie und strich mit den Fingern sanft über Killians geschundenes Gesicht. »Hast du welches da?«
»Nein. Aber ein kalter Waschlappen tut es auch«, sagte er. Das Sprechen schien ihm Mühe zu bereiten.
Das beruhigte Bärbel. Also war es doch nicht nur badische Attitüde, dass er so schweigsam gewesen war. Er hatte sie nicht auf die Folter spannen wollen, er konnte einfach nicht reden. Also gab es auch keinen Grund, die angestauten Fragen zurückzuhalten.
»Was ist passiert? Wer hat Ginter getötet? Warum? Wer hat dich so zugerichtet? Hast du Fotos gemacht? Wo sind sie?«
Killian drehte langsam den Kopf zu Bärbel und sah sie schweigend an. Sie lächelte verlegen. Sie hätte sich vielleicht doch erst einmal für eine einzige Frage entscheiden sollen. Jetzt hatte sie es verbockt. Und sie merkte, wie sie allmählich wütend wurde. Ihre Ungeduld schlug gerne in Wut um. Und die traf dann meist den Falschen.
Sie stand vom Sofa auf in der Hoffnung, ihre Wut in Bewegung auflösen zu können. »Wo finde ich hier einen Waschlappen?« Es sollte fürsorglich klingen, aber im Unterton schwang mit, dass man in diesem Saustall gar nichts finden konnte.
»Nimm ein Unterhemd. Auf dem Stuhl, unter der Jeans, müsste eins liegen.«
Bärbel ging zum Stuhl, hob einige Kleidungsstücke hoch, die sehr nach Killian rochen, fand aber kein Unterhemd. Sie blickte auf die Schmutzwäsche in ihrer Hand, sah dann zu ihm hinüber und pfefferte die Klamotten wütend auf den Boden.
Killian blieb ruhig.
»Entschuldige«, sagte Bärbel und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Aber ich halte diese Art der Kommunikation nicht aus.«
»Tut mir leid«, sagte er mit einem Mal. »Aber ich weiß selbst noch nicht so recht, wo ich anfangen soll. Eigentlich wollte ich meine Ruhe finden. Und jetzt stecke ich wieder mittendrin in einer Sache, die keinen klaren Faden aufweist.«
»Ist es nicht klar, dass die Metzgermafia Tierschänder sind und auch vor Menschenmord nicht zurückschrecken?« Bärbel hob ein Unterhemd auf. »Sieh dich doch selbst an. Wie sie dich zugerichtet haben. Das waren doch sie, oder nicht?«
»Gab es etwas, das Schwarz und Ginter miteinander verband?«, fragte Killian, ohne ihre Frage zu beantworten.
»Wüsste nicht, was die beiden verbinden sollte.«
»Kanntest du Ginter?«
»Klar. Der hat uns mal die Polizei mit Wasserwerfern auf den Hals gehetzt, als wir die ganze Osterwoche vor dem Schlachthof protestiert haben.«
»War da Schwarz auch dabei?«
»Was denkst du denn? Der ging vorneweg.«
»Haben Ginter und Schwarz miteinander gesprochen?«
»Lautstark. Sogar über Megafon.«
»Und sonst hatten sie keine
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