Um die Wurst (German Edition)
Begegnung, von der du weißt?«
»Wie meinst du das?«
»Runder Tisch, Verhandlungen, Mediationsgespräche, Diskussionsrunde. Irgendetwas, bei dem eine Videokamera lief. Wird doch alles dokumentiert und ins Netz gestellt. Habt ihr ja bestimmt auch gemacht.«
»Klar. Aber nur von Demos und Kundgebungen. Und ich kann mich nicht daran erinnern, dass sich die beiden die Hände geschüttelt hätten. Worauf willst du hinaus?«
»Ich weiß es nicht. Ich suche nur eine Verbindung zwischen Ginter und Schwarz, die nicht auf Gegnerschaft beruht. Etwas, das jemanden veranlassen könnte, beide umzubringen.«
»Nur weil beide mit einem Bolzenschussgerät getötet worden sind, heißt das noch lange nicht, dass es derselbe Täter war.«
»Und wenn es dasselbe Bolzenschussgerät war?«
Bärbel ging in die Küche und tränkte das Unterhemd mit kaltem Wasser. Sie wrang es aus und brachte es Killian.
»Was hast du jetzt vor?«, fragte sie.
Killian legte sich das Unterhemd auf das geschwollene Gesicht. So konnte er gar nicht mehr reden.
*
»Danke«, sagte Belledin und legte auf. Es war bei beiden Morden dieselbe Tatwaffe gewesen, daran war nicht zu rütteln. Dr. Selinger war sich absolut sicher. Wäre günstig, wenn es sich auch um denselben Täter handelte. Aber es wollte nicht passen. Warum Ginter?
Belledin hoffte auf Erdogan. Er musste etwas wissen, warum sonst war er abgehauen? Nach den Aussagen von Britta Vogt und einigen Arbeitern konnte Erdogan selbst es nicht gewesen sein. Die Zeit, die Vogt nicht im Büro gewesen war, war für Erdogan zu knapp gewesen, um vom Arbeitsplatz unauffällig zu verschwinden. Außerdem wäre es aufgefallen, wenn sich die Rinder ungeschlachtet angestaut hätten. Erdogan hätte einen Ersatz finden müssen. Und daran kaute Belledin. Gab es einen Komplizen, dem Erdogan die Tatwaffe gegeben hatte? Zwei Täter, die zusammenarbeiteten, und eine Tatwaffe, die glauben machen sollte, dass es sich um nur einen Mörder handelte?
Aber Ginter hatten sie noch ein Gesicht gelassen, Schwarz nicht. Warum? Zeitnot. Britta Vogt hätte jeden Moment an den Tatort kommen können. So wie sie es dann auch getan hatte und den toten Ginter fand.
War sie es gewesen? Warum nicht? Gotthard Vogt war ihr Vater, sie war mit der Schlachterei aufgewachsen. Sie war sicherlich in der Lage, ein Bolzenschussgerät zu bedienen. Aber was hatte sie mit Schwarz zu tun?
Belledin musste Erdogan finden. Von Erdogan zu Spiegelhalter war es nur ein kleiner Gedankensprung. Er nahm das Verhörprotokoll, das Stark ihm auf den Tisch gelegt hatte, und las es noch einmal durch. Spiegelhalter wusste, dass Britta Vogt von Ginter schwanger war und dass Gotthard auf eine Scheidung Ginters gehofft hatte. Wenn der nun aber keine Scheidung haben wollte, Britta vielleicht sogar zur Abtreibung hatte zwingen wollen, lagen massig Motive vor. Er würde sich Gotthard und Britta vorknöpfen. Was den Mord an Ginter betraf, waren sie die heißeste Spur, die er im Augenblick besaß.
Er stemmte sich aus seinem Drehstuhl und schrieb die Namen »Gotthard und Britta Vogt«, »Erdogan« und »Spiegelhalter«, während er sie aussprach, als Cluster mit Rot an die Magnettafel. Anschließend trat er einen Schritt zurück und sah sich das Gesamtgebilde an, das dieser Fall bislang geflochten hatte.
Er blieb bei den Namen und Clustern hängen, die nicht in seiner eigenen Handschrift geschrieben waren. Jetzt wäre er gern Graphologe gewesen. Aber er konnte über Starks Handschrift nur spekulieren. Sie war geradlinig und zielstrebig, sparte an den Rundungen. Häufig wechselten Druckbuchstaben mit Schreibschrift. Das »W« beispielsweise war in Druckschrift, es wirkte hakig statt rund.
Belledin griff nach dem Pappbecher mit dem Kaffee, nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. Kalter Kaffee schmeckte nie. Auch nicht als Eiskaffee, da konnte ihm Biggi noch so viele Vanillekugeln ins Glas stopfen. Kaffee musste heiß sein. Lieber die Lippen verbrühen als diesen abgestandenen Geschmack am Gaumen. Belledin überlegte, wo er jetzt noch einen anständigen Kaffee trinken konnte. Aschenbrenner hatte längst Feierabend gemacht; wo Stark war, wusste er nicht. Auch ihr stand Feierabend zu. Nur er arbeitete immer. Er konnte nicht so einfach den Hammer zur Seite legen. Abschalten, solange ein Fall nicht gelöst war, das ging nicht.
Wieder schmeckte er mit seiner Zunge den Gaumen ab. Er brauchte einen frischen heißen Kaffee. Und er wusste jetzt auch, wo er ihn noch kriegen
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