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Um die Wurst (German Edition)

Um die Wurst (German Edition)

Titel: Um die Wurst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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Entweder er war ein Gefrorener, an dem der Tod einfach vorüberging, oder er hatte gute Freunde, die auf ihn aufpassten, wenn es brenzlig wurde. Sie glaubte nicht an Ersteres, sonst wäre Schewtschenko auch noch am Leben. Gefrorene gab es nicht. Sie waren nur eine Legende.
    Sie loggte sich beim BKA ein und ging auf Fischfang. Keine drei Sekunden, und sie hatte, wonach sie suchte. Sie pfiff durch die Zähne und nahm einen weiteren Schluck Bier. Sie hatte gewusst, warum der Kerl sie interessierte. Der melancholische Glanz seiner Augen war die eine Sache; sein Lebenslauf bestätigte, dass er ein Hasardeur war. Aber was spielte er? Warum ließ er sich von Metzgern zusammenschlagen, die er mit zwei gezielten Aktionen hätte töten können? Für wen war er unterwegs? Hatte das BKA ihn angeheuert? Ging es um mehr als nur – ja, als nur was? Worum ging es in diesem Fall eigentlich? Zwei Tote, die nichts miteinander zu tun hatten? Wenn es auf der privaten Ebene blieb, konnte man für den Mord an Schwarz noch nicht viel sagen. Die zurückgezogene Anzeige der Schülerin aus Heppenheim, der tote Hooligan-Freund aus Frankfurt, der zufällig auch Spiegelhalter hieß. Aber das war gar nichts. Da hatten sie bislang noch nicht weiterrecherchiert. Auf politischer Ebene wäre ein Mord an einem Tierschützer möglich. Aber was hatte Schwarz in der Hand gehabt, um der Fleischerlobby gefährlich zu werden? Und was war der Grund dafür, dass Spiegelhalter den Fotografen zusammengeschlagen hatte? Was hätte er fotografieren können außer Rindern und Schweinen, die nicht tierfreundlich geschlachtet wurden?
    Im Grunde interessierten Fotos und Filmaufnahmen von leidendem Vieh niemanden. Die Fleischfresser bekundeten einige Sekunden Betroffenheit, dann griffen sie wieder in die Kühlregale, um sich die verschweißte Salami in den Einkaufswagen zu werfen. Deswegen brachte man niemanden um. Schwarz musste also etwas gewusst haben, was die Fleischer in Aufruhr brachte, etwas von größerer Dimension. Und wenn ein Haudegen wie Killian plötzlich dort auftauchte, roch das ebenfalls nach mehr. Aber wonach? Wieder dachte sie an organisiertes Verbrechen. Wieder an die Russen. Sollte sie alte Bekannte kontaktieren? Nein, das konnte sie nicht. Sie war froh, sich aus der Schusslinie genommen zu haben. Außerdem würde keine der früheren Kontaktpersonen sich mit ihr treffen wollen. Sie war verbrannt. Die Gefahr, andere auffliegen zu lassen, zu groß.
    »Heart of steel« von Manowar flutete die Wohnung. Sie loggte sich aus und ging an den Kühlschrank, dem sie ein weiteres Tannenzäpfle entnahm. Dann sah sie der rotwangigen Frau ins Gesicht und stellte die Flasche zurück. Sie wollte ihre Einsamkeit nicht weiter mit dieser Frau teilen. Ihr Goldkragen war ein leeres Versprechen. Sie wollte Antworten. Kurz entschlossen warf sie sich in ihre Lederjacke, stieg in die Boots und verließ die Wohnung.
    *
    Killian war froh, dass Bärbel wieder gegangen war. Sie hatten eine gemeinsame Tochter und in den letzten drei Jahren, nachdem er in die Heimat zurückgekehrt war, einige Male miteinander geschlafen. Aber tatsächlich hatten die zwanzig Jahre, in denen sie sich nicht gesehen hatten, eine große Kluft zwischen sie gerissen. Während Bärbel weiter auf politisches Engagement setzte, hatte er durch seine Einsätze zu viel Einblick hinter die Kulissen der Weltpolitik erhalten, um noch an die Kraft von Flugblättern glauben zu können.
    Jetzt blies er in seine Klarinette und verschwand hinter den Klezmertönen, denen er hin und wieder schrägen Jazz abtrotzte.
    Es krachte derzeit allerorten, als würde der Planet kotzen und sich gleichzeitig die lästigen Menschenläuse vom Haupt schütteln wollen. Der Traum vom Frieden war ebenso illusorisch wie die Hybris des Menschen, sich die Erde untertan machen zu wollen. Am Ende traf es doch ihn selbst. Seine Gier und Dummheit war ein messerscharfer Bumerang, der ihn verfolgen und ihm den Hals rasieren würde. Die ganze Welt ein großer Schlachthof.
    Er setzte einen Triller, blies ein Glissando und holte Luft. Es klopfte an der Tür. Er unterbrach sein Konzert und öffnete. Vor ihm stand die Polizistin, die ihn davor bewahrt hatte, Spiegelhalter und Gotthard zusammenzufalten. Er erinnerte sich nicht mehr an ihren Namen. Dafür vergaß er kein Gesicht der Welt. Und ihr Gesicht war schön, auch wenn es nicht die Schönheit war, die der Mode entsprach. Es hatte die Schönheit des Zeitlosen. Und dunkle Augen, die Killian bekannt

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