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Um die Wurst (German Edition)

Um die Wurst (German Edition)

Titel: Um die Wurst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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Beide kannten die Strophen und die Gesetze des Arrangements. Ein Gitarrenriff noch, dann kehrte der Refrain zurück, und das Lied würde verstummen. Aus der Stille würden dann wieder die Fragen zurückkehren, die sie sich zu stellen hatten.
    Killian ging zum Plattenspieler und hob den Tonarm. Stille. Er legte keine neue Platte auf. Blieb bei den Platten stehen und betrachtete von dort aus die verführerische Polizistin, die in Minirock und Lederjacke, eine Flasche Bier in der Hand und eine qualmende Zigarette im Mundwinkel, vor seinem Barocksofa stand und ihn musterte, als wäre er ein Fabelwesen aus dem Mythenkitsch der Metal-Freaks.
    »Was wollen Sie noch wissen?«, fragte Killian.
    »Hat Sie das BKA angeheuert?«
    »Nein.«
    »Sie haben diese Sache also nur Ihrer alten Freundin zuliebe gemacht?«
    »Richtig.«
    Sie schüttelte den Kopf und lachte mit einem Hauch von Zynismus durch die Nase. »Weiß Ihre Freundin, was sie sonst so machen?«
    »Keiner weiß, was ich sonst so mache. Noch nicht einmal ich selbst.«
    »Oh, jetzt wird’s philosophisch.«
    »Wissen Sie es denn?«
    Sie nahm einen Schluck Bier und setzte einen Zug an der Zigarette hinterher. »Ich jage Mörder. Kleine Menschenmetzger.«
    »Und ich die Herren des globalen Schlachthauses.«
    »Ist das nicht gefährlich?«
    »Nein. Es ist sinnlos. Und ich sollte damit endlich aufhören.«
    Sie lachte und zeigte eine kleine Lücke zwischen ihren oberen Schneidezähnen. »Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass man als Angestellter Ihrer Kategorie so einfach Schluss machen kann. Aus freier Entscheidung?«
    »Kann man das als Angestellter Ihrer Kategorie? Warum sind Sie hier? Warum sind Sie nicht beim LKA geblieben?«
    »Sie zuerst. Warum sind Sie hierher zurückgekehrt? Müssen Sie sich aus der Schusslinie ziehen? Oder operieren Sie hier für neue Auftraggeber? Vielleicht für die Russen? Haben Sie Ginter liquidiert? Waren die Fotos nur ein Vorwand, um an ihn ranzukommen?« Stark hatte jede Frage mit einem Halbton höher angegriffen.
    »Ich wollte schon länger aufhören. Habe es aber nicht geschafft. Ich habe die Ausrede, dass ich Geld für das Studium meiner Tochter ranschaffen muss.« Killian schwieg einen Moment. »Tatsächlich ist es eine Sucht. Ich zittere vor dem Einsatz, und ich träume schlecht danach. Aber wenn ich auf dem Schlachtfeld bin, vergesse ich alles. Dann ist alles richtig. Meine Hände wechseln blind Objektive, meine Finger drücken im richtigen Moment den Auslöser. Es fließt, und ich habe das Gefühl zu leben. Und ich habe keine Ahnung, wie lange das noch gut geht. Vielleicht ist es mir auch egal.«
    »Aber Sie haben ja die Ausrede, das Geld für das Studium Ihrer Tochter ranschaffen zu müssen.« Stark hatte ihn fest im Blick. Er ging auf sie zu, trat so nah an sie heran, dass der nächste Schritt unweigerlich in Kuss oder Ohrfeige enden musste.
    »Vielleicht ist das unser gemeinsamer Fall. Wer die Frage des anderen zuerst gelöst hat, hat gewonnen.«
    Sie sahen sich an. Wieder versanken ihre Blicke ineinander, verschwammen die Gesichter und ließen nur die Augenpaare scharf. Dann spürte Killian den heißen Kuss auf seinen Lippen. Er brannte auf der Zunge und tief unten im Bauch. Ein Biss ließ ihn jaulen und seine Unterlippe bluten. Ihre Zunge leckte die Wunde tröstend. Dann stieß sie sich von ihm ab und schmetterte die Bierflasche zu Boden. Scherben klirrten. Wie ein wildes Tier sah sie ihn an. Sie glühte vor Zorn.
    »Ich kriege dich!«, schrie sie. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um, riss die Tür des Ateliers auf und verschwand in der frischen Frühlingsnacht.
    *
    Wagners Kaffee war nicht besser geworden. Aber er war heiß, und man konnte sich an ihm festhalten.
    Belledin saß mit einer Backe auf dem Schreibtisch, hinter dem Wagner seine Arbeitsstunden verbrachte, und sah auf seinen ehemaligen Assistenten, der gerade einen Ordner im Regal verstaute.
    »Gefällt es dir hier unten?«, fragte Belledin.
    »Besser als daheim«, antwortete Wagner.
    »Und der Schnaps?«
    »So trocke wie die Ordner hier.«
    »Gut. Dann könntest du ja bald wieder aus der Höhle raus.«
    »Ärger mit der Neuen?«
    »Nicht mein Fall, wenn ich ehrlich bin.«
    »Zu selbstständig?«
    »Zu männlich. Ich glaube, die ist vom anderen Ufer.«
    »Sie isch überqualifiziert. Das stört Sie.«
    »Kann sein. Da sind mir solche Stümper wie du lieber.« Belledin fand es lustig. Wagner verzog den Mundwinkel leicht und schluckte den Treffer.
    »Aber sie ist

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