Um die Wurst (German Edition)
Umkirch und Freiburg. Und sie schrie. Es war kein Text, aber in der Lautstärke und der Aggressivität passend zur Musik. Sie musste handeln. Irgendetwas tun. Am besten den Fall lösen. Seibert fiel ihr ein. Er hatte Schwarz gefunden. Beim Schlachthof hatte er sein Hundefutter gekauft. Kannte er auch Ginter? Sie zog ihren Notizblock heraus, legte ihn auf den Schoß und blätterte. Freiburg-Zähringen, Harbuckweg 12. Sie tippte die Adresse in ihr Navi und folgte der Frauenstimme ans Ziel.
Der Harbuckweg lag direkt am Waldrand. Stark inhalierte die warme Frühlingsnacht und klingelte. Ein Bellen antwortete, dann eine Stimme, die den Hund beruhigte. Seibert öffnete die Tür. Er wirkte verschlafen, trug aber Tageskleidung.
»Darf ich kurz reinkommen?«, fragte Stark.
Braveheart schnüffelte an ihrer Hand. Seibert trat einen Schritt zurück und ließ sie herein.
»Entschuldigen Sie bitte die Unordnung«, sagte er und ging durch den Flur voran in ein Wohnzimmer, das gleichzeitig Arbeitsraum war.
Stark fand es überhaupt nicht unordentlich. Fein sortiert standen Bücher in den Regalen, stapelten sich Zeitungen und Ordner auf verschiedenen Tischen. Seibert ging auf ein Sofa zu, auf dem eine zerwühlte Decke lag. Er faltete sie sorgfältig zusammen und legte sie auf die Lehne.
»Ich bin kurz eingeschlafen«, sagte er. »Passiert mir manchmal, wenn ich zu lange über Korrekturen hänge. Korrekturen sind ein Gräuel. Vor allem unter Zeitdruck. Statt Fehler zu beheben, verdopple ich sie.« Er schob einen Stuhl an einen kleinen Tisch, auf dem eine Thermoskanne Kaffee mit einer Tüte Kekse standen. »Bitte setzen Sie sich. Was kann ich für Sie tun?«
Stark setzte sich und nahm sich ungefragt einen Keks. Seibert platzierte sich ihr gegenüber.
»Wo waren Sie heute Vormittag zwischen elf und zwölf Uhr?«, fragte sie.
»Hier. Und dann mit Braveheart im Wald spazieren.«
»Zeugen?«
»Ja. Bauer Fritsch vom Aussiedlerhof. Braveheart und ich gehen dort täglich vorbei. Da gibt es zwei Schäferhunde, mit denen Braveheart gern spielt.«
Stark zückte ihr Notizbuch und schrieb es auf.
»Kennen Sie Ginter? Den Schlachthofbesitzer?«
»Nein. Warum?«
»Er ist ermordet worden. Mit einem Bolzenschussgerät.«
»Oh. Waren die Abdrücke meiner Gummistiefel wieder in der Nähe?« Seibert lächelte.
»Nein. Aber vielleicht Sie?«
»Ich sagte doch schon, ich war hier spazieren. Ich fahre nur zum Schlachthof, wenn ich für Braveheart einkaufe. Und das war gestern.«
Stark nahm sich noch einen Keks und stand auf. »Entschuldigen Sie die Störung, aber ich muss das überprüfen«, sagte sie.
Seibert erhob sich ebenfalls. Braveheart blieb vor dem Sofa liegen.
»Ich finde es richtig, dass Sie sauber ermitteln. Wenige tun das noch. Sie glauben gar nicht, wie viel Schlamperei es gibt, weil nicht richtig recherchiert wird. Ich schreibe gerade an einem Artikel darüber. Könnte ich Sie bei Gelegenheit vielleicht mal begleiten?«
»Am besten gleich. Sie zeigen mir, wo der Aussiedlerhof ist, dann kann ich Ihr Alibi direkt überprüfen.«
»Gern. Ich muss sowieso noch mit Braveheart raus. Es ist nicht weit.«
Er ging zur Tür. Stark und Braveheart folgten ihm vor die Tür.
Vor dem Haus zeigte er in den Wald. »Wenn wir querfeldein durch den Wald gehen, sind wir schneller.« Er sah sie fragend an. Stark glaubte einen Moment, einen Hinterhalt in seinem Blick zu erkennen. Aber sie konnte sich auch irren. In ihrer Verfassung sah man gerne überall Gefahr.
»Gut. Gehen wir durch den Wald. Haben Sie eine Taschenlampe?«
»Nein. Die Augen gewöhnen sich schnell an die Dunkelheit. Außerdem haben wir Braveheart.«
Er ging vor, Stark folgte ihm durchs Dickicht. Instinktiv tastete sie nach ihrer Walther. Sie wollte auf alles gefasst sein.
»Sie kommen nicht von hier, habe ich recht?«, fragte Seibert.
Stark antwortete nicht. Sie achtete darauf, mit ihren Cowboystiefeln in kein Loch zu treten oder über einen Ast zu stolpern.
»Riechen Sie den Bärlauch? Ich liebe den Duft. Er ist unverwechselbar. Klare Aussage. Was ich hasse, ist, wenn man Dinge verwischt, verstehen Sie? Die Politik, die Wirtschaft und die Justiz verwischen Dinge. Aus Eigeninteressen. Sie stehen zu keinen klaren Aussagen mehr. Das ist schlimm. Dagegen muss man sich wehren.«
Stark blieb mit ihrer Jeans an einer Heckenrose hängen. Seibert ging einen Schritt auf sie zu und half ihr, sich von den Dornen zu befreien. Dabei kam er mit der Hand zu nahe an ihren
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