Um die Wurst (German Edition)
Frau von etwa dreißig Jahren kam mit frisch gepresstem Orangensaft und Schokoladenkuchen aus dem Haus über die Terrasse in den Garten gelaufen. Heile Welt.
»Lotte! Paulchen! Es gibt Kuchen!«, rief die Frau, die vermutlich Daniela Koch war, und stellte alles auf einem Gartentisch ab. Dann verschwand sie wieder im Haus und kehrte kurz darauf mit Gläsern und Tellern wieder zurück. »Lotte! Paulchen!«, wiederholte sie ihre Aufforderung, ohne dabei allerdings energischer zu werden.
»Ist Papa schon da?«, rief der etwa achtjährige Paul vom Trampolin.
»Müsste gleich kommen«, sagte Daniela Koch.
Stark drückte den Klingelknopf am Gartentor. Es schellte im Haus.
»Das ist er bestimmt, wahrscheinlich hat er den Schlüssel vergessen«, rief Koch. »Lotte, machst du auf?«
»Immer ich«, maulte Lotte, die Stark auf zehn Jahre schätzte.
»Bei dir freut sich Papa doch am meisten«, stänkerte Paulchen.
»Kommt, hört auf damit. Keine Sticheleien«, sagte Daniela Koch, und es schien, als besäße sie für sämtliche Situationen bloß eine einzige Sprachmelodie. Vielleicht würde sich ihr Ton ändern, wenn sie Stark vor sich und einige fiese Fragen zu beantworten hätte. Aber Stark hatte wenige davon im Gepäck.
Lotte öffnete und sah sie neugierig an. Eine Frau in abgewetzter Lederjacke, die auf drei Meter gegen den Wind nach Zigarettenrauch stank, hatte die Kleine wohl selten zu Gesicht bekommen. Vermutlich noch nicht einmal im Fernsehen. Solche Familien sahen keine Krimis, die das Leben halbwegs realistisch nachzeichneten, sondern irgendwelchen Pädagogenquatsch, fern von der Welt, in der Stark aufgewachsen war. In Lottes Alter hatte sie sich bereits mit den Jungs in der Hochhaussiedlung die Nase blutig geprügelt und für ihre eigene Gerechtigkeit geboxt. Hier gab es Gerechtigkeit im Überfluss, fein dosiert vom immer lieben Singsang aus Mamas Kehle.
»Stark, Kriminalpolizei Freiburg, Mordkommission. Ist dein Vater zu Hause?«
Sie hatte jedes ihrer Worte mit Bedacht ausgesprochen, sie sollten nach dem Gutenachtkuss der Mama in Lottes Hirn Bahnen ziehen und Fragen aufwerfen, die das waschmittelweiße Bettlaken in Falten knitterte. Lotte sollte ruhig wissen, dass es auch andere Frauen gab. Welche, die nicht säuselten, die nicht nach Dr. Hauschka rochen und die um jeden Zipfel Gerechtigkeit kämpften, selbst wenn ihre Seelen bereits abgewetzt waren wie die Lederjacken, die sie trugen.
»Nein. Er ist in der Schule«, antwortete Lotte tonlos. »Aber meine Mutter ist da.«
Kaum hatte Lotte zu Ende gesprochen, lugte auch schon der blonde Schopf aus der Haustür.
»Die Frau ist von der Polizei. Sie sucht Mörder. Und sie will Papa sprechen«, sagte Lotte, und Stark hörte in der zittrigen Stimme des Mädchens heraus, dass ihr Auftritt bereits erste Wirkung tat.
»Polizei?«, rief es aus den Zypressen, und Paulchen tauchte auf. Die Augen weit aufgerissen, bereit zu jedem Abenteuer. »Kommt Papa ins Gefängnis?«, fragte er aufgeregt, ohne moralische Wertung.
»Nein«, sang Daniela Koch. »Papa kommt nicht ins Gefängnis. Geht, spielt weiter.«
Die Kinder gehorchten und verschwanden in den Garten.
Daniela Koch kam zu Stark ans Tor und streckte ihr zaghaft die Hand entgegen. Sie war sich wohl unsicher, ob man das Polizisten gegenüber tat. Stark tat ihr den Gefallen und schüttelte die Hand; sie fühlte sich genauso an, wie ihre Stimme klang. Unverbindlich heiter. »Stark, Kripo Freiburg«, stellte sie sich vor. »Frau Koch?«
Die blonde Frau nickte. »Sie kommen bestimmt wegen des Mordes an Erik.«
»Mittlerweile gibt es noch zwei weitere Tote.«
»Was?«, fragte Daniela Koch, und ihre Stimme änderte sich auch hier keinen Halbton. »Wieso das? Etwa Bärbel? Maria?«
»Wie kommen Sie auf diese beiden?«, fragte Stark.
»Weil sie auch im Vorstand der Tierschützer sind. Es sind ja nur vier Vorstandsmitglieder. Und Holger lebt noch. Sie haben ja gerade nach ihm gefragt.«
»Bei den anderen beiden Toten handelt es sich um Vertreter der Gegenseite. Der Schlachthofbesitzer Ginter und der Schlachthofarbeiter Erdogan sind auf die gleiche Weise wie Erik Schwarz ermordet worden.«
»Aha.«
»Wann kommt Ihr Mann nach Hause?«
»Das weiß man nie so recht. Er hat heute Nachmittag zwar keinen Unterricht, aber er ist sehr engagiert. Er leitet die Theater- AG und ist auch zweiter Vorstand in der Volkshochschule. Aber eigentlich müsste er jede Minute kommen. Ich gehe jetzt nämlich gleich zum Volleyball, und
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