Um die Wurst (German Edition)
Daniela Koch lag mit aufgeschlitzten Pulsadern in der Wanne. Auf den Fliesen ein Medikamentendöschen. Einige Pillen waren auf dem Boden verstreut, der Rest befand sich vermutlich in Danielas Magen. Donormyl, die derzeit wohl stärksten Schlaftabletten auf dem Markt. Stark kannte sie. Sie hatten ihr in der Zeit nach Schewtschenkos Tod geholfen, die eine oder andere Nacht durchzuschlafen.
*
Killian stellte seinen Defender auf dem Parkplatz vor dem Polizeirevier ab und stieg aus dem Wagen.
»Dass ich des noch erlebe darf!«, rief eine Stimme hinter ihm, die Killian als die Wagners erkannte.
Belledins ehemaliger Assistent balancierte einen Stapel Ordner unter dem Kinn. »Was machsch du denn hier? Wieder im Chef seine Arbeit? Vorsicht, des mag er gar nicht. Aber da erzähl ich dir nichts Neues.« Er lachte, und der Stapel unter seinem zitternden Kinn begann bedrohlich zu wackeln. »Ich bin jetzt im Archiv. Wird alles digitalisiert. Die Ordner hier, die kannsch bald verbrenne. Aber ich würd sie trotzdem behalten. Ich trau dem digitalen Zauber nit. Ein Wurm, und alles isch weg. Stell dir vor, die hätte die Bibel nur als Datenträger verbreitet.«
»Die Mission wäre schneller und mit weniger Blut vor sich gegangen«, sagte Killian.
»Schneller, des glaub ich gern. Aber weniger Blut? Du weisch doch am beschte, dass Blut gerade durch die Digitalisierung noch mehr fließt. Weil’s weiter weg isch. Es genügt ein Mausklick, um irgendwo ä Bombe in d’ Luft zu jage. Das isch wie beim Fleischesse. Wenn die Leut selber metzgern müsste, dann würde sie gar nicht so viel Fleisch esse. Glaub mir, Killian, das Digitale isch der Anfang vom Ende. Auch in der Fotografie.« Er nickte bekräftigend, die Kopfbewegung übertrug sich auf die Ordner, aber keiner davon wagte es, auszubrechen und den Stapel zum Zusammenbruch zu zwingen.
»Der Chef isch obe. Aber ich warn dich. Er isch nit besonders gut drauf. Drei Tote und noch nichts Handfeschtes.« Wagner zuckte mit den Schultern. »Mich kratzt des nimmer. Ich reiß mir keinen mehr aus.« Er starrte über den obersten Ordner auf den Pflasterstein des Parkplatzes. Dann sah er wieder zu Killian hoch. »Du siehsch übrigens scheiße aus. Solltescht vielleicht auch mal die Abteilung wechseln. Man sieht sich.« Damit ließ er Killian stehen.
Belledin drehte die CD in seinen Händen und sah Killian skeptisch an.
»Wir hatten bereits einen USB -Stick, aus Schwarz’ Wohnung. Hat mir nur den Computer lahmgelegt, mehr nicht. Und die Experten haben noch nicht einmal was Brauchbares darauf gefunden.«
»Ich kann die Scheibe auch wieder mitnehmen.« Killian griff danach, Belledin zog flink seine Finger zurück.
»Und du hast noch nicht reingeguckt?«
»Nein. Ich dachte, das sei Sache der Polizei. Aber ich bin gerne mit dabei, wenn du sie öffnest.«
»Wieso?«
»Damit ich Bärbel Bescheid sagen kann. Sie sitzt auf Kohlen.«
»Ich auch. Schau dir das an!« Belledin deutete mit der Linken zur Magnettafel. »Das ist der Stand der bisherigen Ermittlungen. Egal, welchen Faden ich aufnehme, irgendwo reißt er immer wieder ab oder schlingt sich zum Doppelknoten.«
Killian sah auf das Assoziationsgebilde und versuchte die Informationen, die er bislang besaß, mit denen auf der Magnettafel abzugleichen. Belledin ließ ihm jedoch keine Zeit, sondern stürmte in seinem angeheizten Ton weiter.
»Und dann habe ich hier zwei Gestalten in allernächster Nähe um mich, die überqualifiziert sind und denen ich keinen Meter über den Weg traue.«
Killian warf unschuldig die Stirn in Falten.
»Diesen Dackelblick kannst du dir sparen. Den haben schon ganz andere versucht. Vergebens, kann ich dir da nur sagen. Vergebens.«
»Was willst du?«, fragte Killian, nun ebenfalls gereizt.
»Ich will, dass du mir sagst, ob die ganze Geschichte etwas hat, was das BKA interessiert! Wäre schließlich nicht das erste Mal, dass du mir ungefragt dazwischenfunkst. Oder hast du Popescu bereits vergessen?«
Killian hatte Popescu nicht vergessen. Ein rumänischer Pate, der hinter den Plänen eines dubiosen Regenmachers her gewesen war und der schon lange als international gesuchter Verbrecher auf den Steckbriefen gestanden hatte. Moshe hatte damals ebenfalls Interesse an ihm bekundet. Killian hatte ihm Popescu daraufhin geliefert. Offiziell wusste niemand, dass der Rumäne in den Händen des Mossad war. Auch Belledin nicht. Man hatte Popescu einige Wochen später in einem Hotelzimmer in Istanbul erhängt
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