Um die Wurst (German Edition)
Ich hab in der Zeit andere Lebe aufm Gewisse ghabt.« Spiegelhalter lachte trocken, rieb sich die müden Augen und ließ die rechte Schulter kreisen. Die Akkordarbeit schaffte.
Belledin saß ihm gegenüber und verzog keine Miene. »Worüber haben Sie sich vorgestern mit Erdogan auf dem Hof gestritten?«, fragte er.
»Privatsache.«
»Wenn Sie es weiter privat halten, könnten Sie der Nächste sein, der ohne Gesicht im Gras liegt.«
»Die Sau soll nur kumme. Die stech ich ab«, prahlte Spiegelhalter, aber Belledin hörte die Angst heraus, die unter den lauten Tönen lag.
»Hatte Erdogan Feinde?«, fragte er.
»Sympathisch war er nit grad. Hitzig halt, wie Türke ebbe so sin.«
»Ich kann auch hitzig werden und bin kein Türke.«
»Aber Sie hänn so ä Bart wie ä Türk.« Spiegelhalter fand es lustig.
Der Metzger begann zu nerven. Dem könnte man drei Bolzen ins Hirn schießen – es würde nichts dabei zerstört werden.
»Wo sind Britta und Gotthard Vogt?«
»Keine Ahnung.«
»Kannten die beiden Erdogan näher?«
»Manchmol hänn sie zsamme Grillfeschtle gmacht. Bim Gotthard in der Rebe. Aber ob do was zwische de Britta und ihm glaufe isch, weiß ich nit. Kann scho sein. Mit meinere Alte hätt er jo au was afange welle. Der Dreckspatz. Gehörnte Männer sind auch Rinder. Vielleicht wollt sich von denne einer räche.« Er lachte.
Heilige Einfalt. Belledin musste sich beherrschen. Er stand einfach auf, ohne sich bei Spiegelhalter zu verabschieden. In seinem Hirn ratterte es. Britta Vogt könnte der Schlüssel sein. Zwei der Toten hatte sie gekannt. Welche Beziehung konnte sie zu Schwarz gehabt haben? Wenn er dieses Mosaiksteinchen fand, könnte ihn das zur Lösung bringen. Aber Britta Vogt war verschwunden. Und ihr Vater ebenfalls.
Auf dem Weg über den Hof begegnete ihm Benedikt. Er hatte sich die Schlachtermontur ausgezogen, sein Boss-Jackett aber nicht wieder angelegt. Die Arme des weißen Hemdes hochgekrempelt, einige Blutspritzer auf dem Bruststoff, stakste er entschlossen in Richtung Bürogebäude. Er war wie ausgewechselt. Vorher noch BWL -Absolvent, stand er jetzt bis zu den Knöcheln im Blutrausch.
»Ich wusste gar nicht mehr, wie toll dieser Beruf ist«, sagte er. »Während der Lehrzeit habe ich mich manchmal durchkämpfen müssen. Ist nicht immer leicht unter Metzgern. Da herrscht ein rauer Ton. Während meiner Studienzeit hatte ich in den Semesterferien auf dem Schlachthof gejobbt. Aber seit drei Jahren bin ich nur noch im internationalen Einkauf für den Schlachthof tätig. Vor allem weil ich Abstand zu meinem Vater brauchte. Täglich mit ihm im Betrieb, das wäre nichts gewesen.« Er atmete tief durch, Tränen stiegen ihm in die Augen. Belledin dachte, jetzt käme doch ein Anflug von Trauer über den Tod des Vaters.
»Aber wenn ich das hier sehe und rieche, mit anpacke, ganz unten, an der Basis des Erfolgs, dann weiß ich, dass ich endlich wieder mein Zuhause gefunden habe.«
Belledin sah ihn an. »Wollen Sie mir nicht sagen, was konkret Ihren Vater und Sie so entzweit hat, dass Sie so kalt für ihn empfinden?«
»Ich empfinde nicht kalt. Ich empfinde nichts. Es gibt ihn nicht mehr, und es hat ihn nie wirklich gegeben. So einfach ist das.«
»So einfach. Danke.« Belledin ließ ihn stehen und ging zu seinem Auto. Bevor er einstieg, klingelte er bei der Fahndung an. Keine Spur von den Vogts.
Die Magnettafel war übervoll. Drei Tote, zwei davon gehäutet, einem hatte man das Gesicht gelassen, ihn aber auf dieselbe Art hingerichtet. Es musste auch derselbe Täter sein. Es sei denn, der Täter des ersten und des letzten Mordes hätte seine Waffe kurz unbeaufsichtigt gelassen, und ein anderer hatte Ginter als Trittbrettfahrer gelyncht, um es so aussehen zu lassen, als ob es derselbe Täter gewesen wäre. Mühsam. Belledin hatte nur Schnipsel, aber nichts, was ihn weiterbrachte. Bis auf das plötzliche Verschwinden von Britta und Gotthard Vogt. Wenn sie die beiden wiederhätten, könnte Klarheit geschaffen werden. Bis dahin musste er aber auch den anderen Hinweisen nachgehen.
Aus den Notizen, die auf der Magnettafel hafteten, konnte er mindestens drei Krimis spinnen, einer verwegener als der andere. Tierschützer? Erbstreit? Eifersucht? Oder doch das ganz große Spiel: Mafia? Aber was für eine Mafia? Und warum sollte sie so bedeutungsschwanger töten? Stark wollte einen Informanten kontaktieren. Sie hatte sich noch nicht gemeldet. Sie wollte sich erst um die Tierschützer
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