Um die Wurst (German Edition)
jemand muss ja bei den Kindern sein. Wollen Sie kurz reinkommen und auf ihn warten?«
»Der Garten wäre mir lieber. Bei Ihnen darf man drin bestimmt nicht rauchen, oder?«
»Im Garten eigentlich auch nicht. Holger mag das gar nicht, wegen der Kinder. Er sagt, dass sie Partikel auch im Freien einatmen. Manchmal kann er sehr anstrengend sein.« Sie lächelte, und Stark dachte, dass Holger für Daniela wohl das größte ihrer Kinder sein musste. Ob sie ihm gegenüber genauso säuselte? Wie stritt es sich mit so einem Trallala im Gemüt?
Sie folgte Daniela Koch zwischen betont wild angelegten Frühjahrsstauden hindurch auf die Terrasse. Als die Kinder sie kommen sahen, verzogen sie sich ans Ende des Gartens in eine Blockhütte. Stark war sich sicher, dass sie hinter den bunten Vorhängen des kleinen Fensters kiebitzten und gespannt darauf warteten, ob sie gleich mit ihrer Pistole in die Luft ballern würde. Am liebsten hätte sie es getan. Einfach um einen anderen Ton als diesen sphärischen Liebreiz aus Daniela Kochs Stimme zu locken. Oder sollte sie die Gute einfach mal ordentlich durchschütteln? Nein, das würde nur Ärger geben und nicht nachhaltig helfen.
»Wollen Sie etwas trinken?«, fragte Daniela, wies auf einen Gartenstuhl und setzte sich selbst ebenfalls an den Tisch.
Stark schüttelte den Kopf und kramte ihre Zigarettenpackung heraus. Sie schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen und steckte sie an.
»Warten Sie, ich hole einen Aschenbecher«, sagte Daniela, und Stark schien es, als hätte sie eine Veränderung in ihrer Stimme wahrgenommen. Etwas Raues hatte da eben mitgeschwungen.
Daniela war bereits aufgesprungen und im Haus verschwunden. Stark rauchte und blies eine weiße Wolke in den blauen Nachmittagshimmel. Idyllisch. So konnte man leben. Die Asche an der Zigarette wurde länger. Sie würde halten, bis Daniela mit dem Aschenbecher zurückkam. Aber wo blieb sie? Vermutlich war es nicht einfach, einen Aschenbecher in einem Nichtraucherhaushalt aufzutreiben, aber irgendein Schälchen, aus dem der Hund fraß, würde es auch tun. Oder ein Blumentopf. Es standen ja genügend davon herum.
Daniela kam nicht.
Stark aschte auf die Wiese und ging ins Haus. Es störte sie nicht, dass sie hierdrin weiterqualmte. »Frau Koch?«, rief sie durch das Wohnzimmer in die Küche hinein.
Keine Antwort.
»Frau Koch?«, rief Stark jetzt lauter und überlegte, ob sie ein Auto hatte wegfahren hören. Aber es war ruhig gewesen, als sie im Garten gewartet hatte.
Sie stieg die Stufen empor, die ins obere Stockwerk führten. Wieder rief sie nach Daniela Koch. Wieder bekam sie keine Antwort. Sie durchkämmte das Schlafzimmer, die beiden Kinderzimmer, das Arbeitszimmer und stand dann vor einer Tür, die sich nicht öffnen ließ. Dahinter plätscherte Badewasser.
Sie ahnte es. Die plötzliche Veränderung in Danielas Stimme hätte sie warnen müssen.
Mit Schwung warf sie sich gegen die Badezimmertür. Sie gab nicht nach.
»Daniela! Machen Sie auf. Tun Sie es nicht! Denken Sie an Ihre Kinder!«, schrie sie, und sie wusste, dass diese Phrasen niemanden davon abhalten konnten, seinen Weg in die Finsternis zu gehen. Erneut schmiss sie ihren Körper gegen die Tür. Und noch einmal. Mit jedem Versuch wurde sie verzweifelter. Sie hasste die Filme, in denen so einfach ein Türstock herausbrach. Bei ihr hatte es noch nie geklappt. Und dennoch warf sie sich noch mal dagegen, dass ihre Schulter schmerzte. Ohne Ergebnis.
Ein letzter Versuch. Auch er brachte nichts.
»Daniela! Machen Sie es nicht! Das hilft keinem!« Sie zog die Walther und entsicherte sie. Sie zielte und schoss. Das Schloss barst, und sie hörte die Kinder schreien. Jetzt hatte sie Lotte wirklich erschreckt. Aber jetzt hatte sie es nicht gewollt. So einen Schock wünschte sie keinem Kind.
»Was ist hier los? Was machen Sie hier?«, fragte eine männliche Stimme hinter ihr.
Stark fuhr herum und vermutete Holger Koch vor sich, flankiert von Paulchen und Lotte.
»Ihre Frau ist da drin. Sie hat abgeschlossen. Deswegen habe ich die Tür aufgeschossen.«
»Geht runter«, befahl Koch den beiden Kindern. »Geht runter! Hört ihr schlecht?« Die Kinder zuckten zusammen. Den energischen Ton kannten sie wohl nicht. Paulchen fing an zu weinen und rührte sich nicht vom Fleck. »Nimm ihn mit!«, schrie Koch Lotte an. Sie griff ihren kleinen Bruder an der Hand und zerrte ihn die Treppe hinunter.
Stark steckte die Walther ein und drückte die Badezimmertür auf.
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