Um die Wurst (German Edition)
machen.«
*
Petzold hatte es wichtig gehabt. Er würde nach Freiburg kommen, wollte wissen, wo er sich mit ihr treffen konnte. Sie nannte den »Auerhahn«. Er lag bei ihr ums Eck, und sie war schon einige Male da gewesen.
Viel war nicht los in dem Laden. Lediglich drei Männer, die an verschiedenen Tischen im Raum hockten, Bier oder Wein tranken und mit ihren Handys spielten oder Pommes in Ketchup tunkten. Petzold saß am Tresen und nippte an einem Aperol. Der Wirt, ein Bulle mit rotem Schnäuzer und einem Knopf im linken Ohrläppchen, nickte Stark zu, als wäre sie seit Jahren Stammgast, und stellte ihr ein Pils auf den Tresen.
»Darf man jetzt rauchen?«, fragte sie.
»Was mach ich, wenn die Polizei kommt?«
»Sagen Sie einfach, ich sei Helmut Schmidt.«
Er lachte. »Meinsch, des glaube die?«
»Die glauben alles.« Sie legte ihren Dienstausweis auf den Tresen.
»Du kannst jetzt gehen«, sagte Petzold. Der Wirt verschwand in die Küche.
»Was gibt es?«, fragte sie. »Und wieso soll er gehen?«
»Weil wir das Lokal für heute gemietet haben.«
Sie sah sich im Raum um. Die drei Männer, die verteilt an Tischen hockten, sahen zu ihr auf. Sie kapierte. Es waren Russen. Schewtschenkos Erben. Oder die, die es werden wollten. Sie versuchte, ruhig zu bleiben. Einer der Männer erhob sich und schloss die Tür, drehte zweimal den Schlüssel und setzte sich wieder an seinen Platz. Petzold bot ihr eine Zigarette an.
»Nimm, es könnt deine letzte sein.«
Sie nahm sie und schob sie sich zwischen die Lippen. Petzold gab ihr Feuer. Sie konnte den Moment nutzen, ihn am Handgelenk packen, die Walther ziehen und eine große Schießerei veranstalten. Stattdessen sah sie zu, wie die Flamme des Feuerzeugs erlosch und die Glut an der Zigarettenspitze glomm. Durch den ersten Rauch entdeckte sie einen Mann, der von den Toiletten in den Gastraum trat. Sie kannte die Silhouette, hatte sie studiert, verachtet, geliebt und verraten. Er war tot. Alles Einbildung. Wieder einmal ging die Phantasie mit ihr durch, verschoben sich Realitäten.
Sie kniff die Augen zusammen, zählte bis drei und öffnete sie wieder. Jetzt müsste das Lokal voll sein. Studenten sollten Dart spielen, Pärchen in den Ecken knutschen, der Wirt ein Bier nach dem anderen zapfen. Aber es blieb, wie es war. Dort hinten, am anderen Ende des Raums, stand er. Als hätte es das mit ihm explodierende Auto nie gegeben. Sein Lächeln blitzte durch das schummrige Licht. Er kam näher. Schritt um Schritt. Gleich würde er vor ihr stehen. So nah, dass sie ihn anfassen konnte. Sie wusste, dass sie tot war, noch ehe sie einen Finger krümmen konnte.
»Marina. Kak djela? «, sagte er. Seine Stimme war dunkel und angekratzt, nicht mehr so ölig wie früher. »Aber du bist ja nicht Marina. Du bist Polizistin. Stark. Ein passender Name. Stark machte mich schwach. Aber der Teufel hat mich gewarnt. Ich wollte es erst nicht glauben.« Er sah sie an. Mit Bernsteinaugen. Killians Augen. Wieder schloss sie die Lider. Wieder zählte sie bis drei. Und wieder stand er vor ihr. Leibhaftig. Schewtschenko.
»Unser Spiel. Die Augen zusammenkneifen, bis drei zählen und in eine andere Welt tauchen. Es funktioniert nur, wenn man wirklich liebt. Wenn man die Liebe verrät, verfliegt der Zauber.«
»Vadim. Bist du es wirklich?« Sie ließ die Zigarette fallen.
»Ich bin nicht mehr Vadim. Vadim ist in Flammen aufgegangen, nachdem sein Herz verglüht war. Jetzt heiße ich Boris, Andrej, Iwan. Und es gibt kein Herz mehr, das für jemanden schlagen könnte.«
»Mach es kurz.«
»Du willst mich wieder reinlegen. Du unterschätzt mich. Dein schneller Tod bringt mir nichts. Ich will meine fünf Tonnen zurück. Und du wirst sie mir bringen.«
»Das kann ich nicht. Ich weiß nicht, wo sie sind.«
»Du hast mich gefunden, bist in mich reingekrochen und hast mich zerstört. Wer das schafft, der findet auch fünf Tonnen Heroin. Selbst wenn man sie auf den Mond geflogen hätte.«
Stark glaubte zu sehen, wie sich Schewtschenkos Augen mit Tränen füllten. Er nickte dem Russen in der Nähe der Tür zu. Der erhob sich und drehte den Schlüssel zweimal. Dann setzte er sich wieder.
»Jetzt schließe ich die Augen und zähle bis drei. Wenn ich sie wieder aufmache, bist du weg. Aber wir sehen uns wieder. Es ist nur eine Sache zwischen dir und mir.«
Er schloss die Augen. Stark sah ihn an und ging wie ferngesteuert aus dem Lokal. Hinter ihr drehte sich der Schlüssel zweimal im Schloss.
*
»Am
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