Um die Wurst (German Edition)
Bahnhof können Sie mich rauslassen.«
Belledin fuhr rechts ran.
»Danke. Gute Nacht.« Marlena stieg aus dem Wagen.
Belledin hatte sie nicht gefragt, wohin sie ging. Er wusste, dass sie in Breisach wohnte. Was tat sie nachts in Freiburg? Sie drehte sich nach ihm um. Er musste losfahren, wollte sie ihn nicht verdächtigen, dass er ihr folgte. Aber genau das beabsichtigte er. Sie war emotional angeschossen, hatte sich ihm sogar anvertraut. Aber sie hatte nicht alles gesagt. Jetzt musste sie zu jemandem, dem sie alles erzählen konnte – oder der alles wusste.
Er fuhr an und bog rechts ab, damit sie sah, dass er weg war. Unmittelbar nach der Biegung parkte er den Wagen und eilte zurück, um ihr zu folgen. Sie war weg. Verflucht. Wo konnte sie so schnell hin sein? In den Bahnhof? Wusste sie, dass er sie bluffen wollte? Sie war clever, unter ihren Rastazöpfen steckte mehr Verstand, als er ihr zugetraut hatte.
Er überquerte die Straße, betrat den Bahnhof und ließ seinen Blick einmal durch die Halle wandern. Ein paar Reisende, die auf den Nachtzug warteten, eine Handvoll Penner, die trotz des schönen Wetters ein Dach über dem Kopf bevorzugten, und eine Gruppe Jugendlicher, die mit Bierdosen den Sieg ihrer Fußballmannschaft feierten. Keine Spur von Marlena.
Sollte er noch zu den Gleisen? Vielleicht wollte sie abhauen? Er durchquerte die Halle und betrat Bahnsteig eins. Hier fuhren die Züge in die weite Welt, nach links in die Schweiz, nach rechts Richtung Norden. Der Steig war nur spärlich bevölkert, Marlena nirgends zu sehen. Belledin gab es auf. Er konnte nicht die ganze Nacht durch Freiburg streifen, um sie zu suchen. Verfluchter Idiot. Sie kannte Details über zwei der Mordopfer. Auch über das Gammelfleisch wusste sie Bescheid. Und er ließ sie entwischen. Es half nichts. Er musste eine Fahndung nach ihr rausgeben.
Er dachte an die andere Fahndung, die er laufen hatte. Gotthard und Britta Vogt. Noch immer gab es keine Spur von den beiden. Die Kollegen waren zwar in Endingen gewesen, hatten dort aber niemanden gefunden. Vielleicht würde er etwas finden. Einen Hinweis, wo sie sich versteckt hielten.
*
Sie kauerte noch immer vor den Stufen des »Auerhahn« und stierte auf den Asphalt. Hatte sie das alles eben tatsächlich erlebt? Oder war sie jetzt vollends durchgeknallt? Schewtschenko war tot. Sie hatte es mit eigenen Augen gesehen. Er war ins Auto gestiegen, hatte den Wagen gestartet, und eine Explosion hatte ihn in Flammen aufgehen lassen. Oder war das nur eine Finte gewesen, und er hatte ein Double in die Luft gejagt? Hatte das Auto über einem Gully gestanden, war ein Loch im Boden des Wagens gewesen, durch das er abgehauen war, ehe der Wagen explodierte? Schewtschenko war berühmt für seine Taschenspielertricks. Das hatte er eben bewiesen. Warum hatte er sie nicht gleich liquidiert? Warum hatte er die Nacht, in der sie ihn verraten hatte, noch mit ihr verbracht? Ihr gesagt, wie sehr er sie liebte und immer lieben würde – egal, was passierte. Gerade weil er es gewusst hatte?
Gleich musste es geschehen. Gleich musste ihr der Kopf platzen.
»Da kannsch lang warte, der macht heut nimmer auf«, sagte eine Stimme neben ihr. »Scho seit heut Mittag isch zu. Angeblich wege Krankheit geschlossen. Kommt mir spanisch vor. Ich studier hier seit fünf Jahren, der Karl war noch nie krank. Noch nit einmal Urlaub hat der gmacht.«
Stark sah auf. Es war der Student, der sie neulich hatte angraben wollen.
»Hast du Gras?«, fragte sie ihn.
»Diesmal bin ich sauber.«
»Schade. Ich hätte ein paar Züge gebrauchen können.«
Er musterte sie skeptisch. Dann grinste er. »Wenn’s so isch. Ich glaub, hier hab ich doch noch ä Kleinigkeit.« Er schlug mit der Hand auf die Außenseite seiner Jackentasche.
»Dann dreh uns doch eine.«
»Isch des au keine Falle?«
»Ich stelle keine Fallen. Ich tappe rein.«
Der Student setzte sich. »Liebeskummer?«, fragte er.
Stark sah ihn an. »So kann man es auch nennen.«
»Lohnt sich nicht, my darling , schade um die Tränen in der Nacht«, sang er. Stark hoffte, dass sein Joint besser war als seine Stimme.
»Ich bin Hagen. Wie Hagen von Tronje. Der heimtückische Siegfried-Mörder. Scheiße, wenn du den Namen von einem Verräter mit auf den Weg kriegsch. Stell dir vor, dich tauft einer Judas.« Er drehte, während er schnatterte. Stark hoffte, dass die Kanone bald rauchte, damit Hagen sediert wurde.
»Ich hab mir schon oft überlegt, ob ich meinen Namen nit
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