Um die Wurst (German Edition)
Joe einst gewesen war.
»Isch er do?«
»Nei, der isch nit do. Der isch in de ›Krone‹ … Wie dä Vadder, am Stammtisch ä große Rede schwinge. Aber uffm Feld kannsch dä Hase geh.«
»Danke vielmals. Dann guck ich mol drübe.«
Belledin grüßte und ging. Er spürte, dass die Alte ihm noch eine Weile nachsah, ehe sie die Tür schloss. Dann ging er zur »Krone«. Rein musste er gar nicht. Die Tür flog auf, und zwei kräftige Arme schleuderten einen jungen Mann heraus.
»Wenn du nüchtern bisch un emol wieder ä grade Satz rusbringsch, kannsch gern wiederkumme. Aber so lang bliebsch besser furt.« Der Schrank mit dem mächtigen Bierbauch schloss die Tür. Der Betrunkene fluchte unverständlich und rappelte sich auf.
»Joe Engist«, sagte Belledin. »Ich hab ein paar Fragen an dich.«
Joe sah zu Belledin. »Du häsch mir grad noch gefehlt«, sagte er.
»Das Du lassen wir besser.«
»Du dutzesch mich doch au.«
Belledin packte Joe am Arm und zog ihn mit sich fort.
»Aua! Des tut weh. Des därfsch du gar nit.«
Belledin verfrachtete Joe auf den Beifahrersitz seines Wagens und setzte sich daneben.
»Ich habe ein paar Fragen wegen der eingeschlagenen Fensterscheiben.«
»Rede mr jetzt Hochdeutsch?«
»Leichter zu protokollieren.«
Joe lachte. »Der war nit schlecht. Ich bleib beim Badische, wenn’s recht isch.«
»Solange du mir sagst, was ich wissen will, kannst du auch Chinesisch reden.«
»Sching-Schang-Schong.« Joe fand sich sehr witzig.
Belledin packte ihn mit einer Hand hart am Hals. Joe jaulte und schnappte nach Luft. »He! Des dürfe Sie nit.«
Belledin ließ ihn los. »Das war nicht ich. Auch den ausgeschlagenen Zahn werden alle dem Wirt zuschreiben.«
»Ausgeschlagener Zahn? Der hätt mir kei Zahn ausgschlage.«
»Noch nicht.« Belledin verzog die Mundwinkel zu einem falschen Grinsen. »Wenn du keine Faxen mehr machst, mach ich auch keine.« Er zog die Brauen hoch. »Also?«
»Also was?«
»Wie lief das mit den Fensterscheiben? Und wer plant was weiter?«
»Die Aguecheeks, Marlena und ich. Mir habe die Fensterscheibe in Breisach, Ihringe, Waseweiler und Bötzinge eingworfe.«
»War das der Plan von Schwarz?«
Joe schüttelte den Kopf.
»Der alte Köhler?«
»Nein.«
»Wer?«
»Koch.«
»Der Lehrer?«
»Er hat gsagt, die reagiere nur, wenn mir härter agiere.«
»Und Schwarz?«
»War dagege. Er wollt keine Scherereie. Koch und Schwarz habe sich deswege beinah mal gschlage. Traut mer dem Koch gar nit zu, dass der so hitzig werde kann. War mir auf einmal richtig sympathisch.«
»Und Schwarz?«
»War in Ordnung. Mir hat er e wing zviel gschwätzt. Ich brauch Aktione, Theorie schläfert mich ein.«
»Warum hat dich der Wirt rausgeworfen?«
Joe lachte dreckig. »Weil ich einem seiner Gäscht s panierte Schnitzel als Perücke auf de Kopf gsetzt hab.«
Belledin verzog keine Miene.
*
Belledin fuhr gerade auf das Wohnhaus zu, da sah er sie. Marlena, das Mädchen mit den Rasta-Zöpfen. Hatte doch etwas Gutes, wenn man auffiel. Er hatte sich rasch geduckt, als sie vor Kochs Haus auftauchte. Was machte sie dort? Hausaufgaben? Unwahrscheinlich, um die Uhrzeit. Kochs Frau lag im Krankenhaus. Belledin durfte nichts ausschließen. Was, wenn Koch etwas mit einer Schülerin hatte? Seine Frau hatte es herausgekriegt und sich deswegen umbringen wollen? Gut möglich. Aber das war nicht sein Fall. Er hatte sich um drei Morde zu kümmern. Und Koch war ein Baustein, dem er mehr Aufmerksamkeit zollen wollte. Der Streit mit Schwarz, von dem Joe erzählt hatte, konnte tiefere Wurzeln ziehen und vielleicht ein Motiv für einen Mord sein.
Er wartete noch einige Augenblicke, dann stieg er aus und läutete an. Koch öffnete.
»Belledin, Kripo Freiburg.« Er zeigte seinen Ausweis. »Darf ich reinkommen?«
Ehe Koch etwas erwidern konnte, war Belledin schon im Haus, stiefelte an Koch vorbei, bis er im Wohnraum stand, der zur Terrasse und in den Garten führte. Auf der Treppe stand, barfuß, ein Laken um den Körper gewickelt, das Mädchen mit den Rastazöpfen. Koch lief rot an.
»Das ist Marlena. Sie schläft heute bei den Kindern. Meine Frau … Sie wissen ja.«
»Was weiß ich?«
»Sie ist im Krankenhaus. Wegen …«
»Hat sie sich wegen Marlena die Pulsadern aufgeschnitten?«
»Was? Nein! Blödsinn. Marlena ist nur hier, um auf die Kinder aufzupassen. Sie glauben doch nicht etwa …?«
»Wieso nicht? Wäre nicht das erste Mal.« Belledin bemerkte, dass Koch ins Schwitzen geriet.
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