Um die Wurst (German Edition)
war mehr gewesen als nur Leidenschaft. Seine Bernsteinaugen hatten sie anders angesehen, als man einen kurzen Fick ansieht. Mit Liebe und der Sehnsucht nach mehr.
Sie würde Killian um Hilfe bitten. Er hatte Kontakte. Sie würde auch für den Mossad arbeiten. Warum nicht? Hauptsache, sie kam hier aus der Schusslinie. Schewtschenko war sie nicht gewachsen.
Sie drückte sich von der Matratze. Der Lattenrost ächzte. Der Student hörte nichts davon, er lag noch immer bewusstlos am Boden. Sie ging ans Fenster und sah auf die Straße hinab. Vierter Stock. Das Haus lag hinter dem Bahnhof. Zwei Ecken weiter befand sich ihre Wohnung. Es gab nichts, wofür sie dorthin musste. Klamotten würde sie überall finden. Habseligkeiten besaß sie keine. Ein paar CD s. Die stapelten sich in ihrem Auto.
Unter der Laterne gegenüber stand niemand. Wäre auch zu schön gewesen. Nein, sie befand sich in keinem Film. Ihr Streifen war echt. Immer gewesen. So hatte sie es gewollt. Samt beschissener Romantik, die aufschlug wie ein Blumentopf auf Pflasterstein.
Irgendwo würden seine Leute stehen und warten. Vielleicht lauerten sie sogar schon vor der Tür und lauschten, ob sie und der Student noch vögelten.
Sie trat vom Fenster zurück und streifte durch die Wohnung. Drei Zimmer. Ganz schön groß für einen Studenten. Sie fand einen Balkon und prüfte die Distanz zum Nachbarn. Etwa zwei Meter fünfzig. Das konnte sie schaffen. Sie hatte es schon oft geschafft. Im Training. Zweimal sogar im Einsatz. Da war sie noch in Form gewesen. Physisch und mental. Jetzt war sie ein Wrack.
Vorsichtig stieg sie auf das Geländer. Ihre Knie wackelten. Mit der Hand stützte sie sich am Putz der Hauswand ab und sah hinab. Das durfte man nicht. Nie. Niemals in den Abgrund blicken. Das war die Regel. Sie kannte sie. Trotzdem. Sie musste schauen. Sie sah Mülleimer. Wenn die Deckel offen standen, wäre sie gleich entsorgt. Irgendjemand würde sich aber beschweren, dass sie falsch sortiert war. Sie gehörte nicht zu den Plastikflaschen.
Sie riss den Blick hoch. Rüber zum anderen Geländer. Ihr Herz schlug hart, die Lungen rasselten. Jetzt. Sie ging in die Hocke und stieß sich ab. Schloss die Augen und griff blind. Ihre Finger umfassten das Geländer und hielten fest. Sie baumelte über dem Abgrund. Lange durfte sie nicht hängen. Diese Kraft hatte sie nicht. Sie hebelte sich mit einem Armzug hoch und klemmte ihre Füße auf das Sims des Balkons, schwang sich über das Geländer und plumpste auf der anderen Seite auf den Beton. Ihr Herz raste, ihr Leib zitterte. Geschafft. Sie ballte die Rechte zur Faust und brüllte den Triumph in sich hinein.
Die Balkontür war offen. Glück. Sie schlüpfte in das dunkle Zimmer. Jemand schnaufte, langsam und regelmäßig. Sie wollte nicht wissen, wer in dem Bett lag, huschte durch das Zimmer und gelangte in den Flur. Die Wohnung war ebenso geschnitten wie die des Studenten. Aber sie hoffte, dass sie nicht denselben Hauseingang besaßen. Sie fand die Wohnungstür und steuerte auf sie zu.
Eine Klospülung rauschte. Sie drückte sich in die Küche. Jemand schlurfte furzend durch den Flur. Er würde doch keinen Durst haben? Sie hielt den Atem an und lauschte. Der Schlurfer ging an der Küche vorbei und verschwand im Balkonzimmer. Sie hörte, wie er sich hinlegte, und schlich zur Wohnungstür. Der Schlüssel steckte im Schloss, eine Kette versperrte die rasche Flucht. Es würde Geräusche machen. Ihr blieb keine Wahl. Erst die Kette, das ging problemlos. Dann der Schlüssel. Er klemmte. Sie musste spielen. Er hakte ein, drehte sich. Einmal. Zweimal. Das Schloss sprang auf. Sie schlüpfte aus der Wohnung und zog die Tür leise hinter sich zu, dann rannte sie die Stufen hinab, so schnell sie konnte. Unten horchte sie. Der Schlurfer hatte sie nicht bemerkt. Oder er hatte Angst und wollte nichts von Einbrechern wissen. Wer wegsah, lebte länger.
Sie spähte aus dem Hauseingang. Unter der Laterne gegenüber stand noch immer niemand. Sie musste sich gedulden. Wenn sie jetzt auf die Straße ging, wäre alles umsonst.
*
Killian fuhr langsam durch die Endinger Altstadt. In der Hauptstraße, zwischen dem »Pfauen« und der Buchhandlung Vollherbst-Koch, parkte er den Defender. Es war ruhig auf den Straßen, mitten in der Nacht. Er ging zu Fuß in die Rempartstraße. Ein Neubau aus den Achtzigern, mit Vorgarten und zwei Garagen. Killian umriss die Möglichkeiten: unten durch den Keller, direkt durch die Haustür oder über die
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