Um die Wurst (German Edition)
Vielleicht würde er gleich zusammenbrechen und alles gestehen. Den Mord an Schwarz, Ginter und Erdogan. Oder zumindest, dass er seine Frau auf dem Gewissen hatte. Und dafür schwitzte er jetzt.
»Sag es doch endlich. Sag endlich, dass wir ein Paar sind.«
Koch sah Marlena fassungslos an. Seine Lippen bebten, er bekam kein Wort heraus. Ein kleiner Junge erschien hinter Marlena auf der Treppe.
»Papa, ich kann nicht schlafen. Mama soll wieder kommen.«
»Mama kommt wieder, Paulchen. Morgen oder übermorgen. Bald. Ganz bestimmt.« Koch ging an Marlena vorbei zu dem Jungen, nahm ihn auf den Arm und verschwand mit ihm nach oben.
»Wie lange geht das schon zwischen Ihnen und Koch?«
»Was geht Sie das an?«
»Ich bin Polizist, schon vergessen?«
»Ich kann meine Aussagen verweigern.«
»Dann wird die Sache an die große Glocke gehängt. Willst du das?«
Marlena sah an Belledin vorbei auf den Boden. »Dann wäre es endlich raus. Diese Geheimnistuerei halte ich nicht mehr aus.«
»Seit wann?«
»Seit der Zehnten.«
»Wie alt warst du da?«
Sie sah ihn an. »Zwei Jahre jünger.«
»Sechzehn.«
Sie nickte.
»Weiß es jemand von deinen Freunden?«
»Nein.«
»Hast du es keinem gesagt? So ein Geheimnis wiegt schwer. Das muss manchmal raus.«
»Es gibt doch auch Mörder, die nie jemandem gesagt haben, was sie getan haben.«
»Gibt es die?«
»Ich glaube schon.«
»Aber du bist nicht so abgebrüht. Du scheinst sogar erleichtert, dass ich es jetzt weiß.«
»Das stimmt. Ich fühle mich leichter. Hängen Sie es an die große Glocke?«
»Es kommt darauf an, was noch dahintersteckt. Koch hatte einen Streit mit Schwarz, bei dem die beiden sich fast geprügelt haben. Tatsächlich nur wegen der militanten Steinwurfaktionen, oder steckte da mehr dahinter?«
»Verdächtigen Sie etwa Holger? Er kann Erik nicht getötet haben.«
»Wieso nicht?«
»Weil er am Dienstag die ganze Nacht mit mir zusammen war.«
»Das müsstest du vor Gericht bezeugen.«
Koch kam die Stufen herunter. »Das müssen Sie doch verstehen. Ich kann doch nicht öffentlich mit einer meiner Schülerinnen zusammen sein. Dazu noch, wenn sie minderjährig ist.«
»Ich bin nicht mehr minderjährig. Seit zwei Monaten bin ich achtzehn. Du hattest gesagt, wenn ich achtzehn wäre –«
»Ich habe gesagt, wenn das Abi vorbei ist. Das ist etwas anderes. So verliere ich meinen Job, meine Familie, meine Existenz. Kannst du das denn nicht begreifen?«
»Soll ich mir auch die Pulsschlagadern aufschlitzen? Stehst du dann zu mir?« Marlena hatte es ruhig gesagt.
Jetzt stürmte sie an Belledin vorbei und rannte die Treppen nach oben.
Koch wollte ihr nach, entschied sich dann aber anders. Er setzte sich auf einen Stuhl, der neben dem Esstisch stand, und kämpfte mit den Tränen. Belledin empfand kein Mitleid.
»Was soll ich denn tun? Ich kann mich doch nicht zerreißen.«
Er sah zu Belledin auf und erwartete eine Antwort. Belledin aber hatte Fragen.
»Wie war Ihr Verhältnis zu Erik Schwarz?«
Koch putzte sich die Nase. »Nicht besonders gut. Er war ein Besserwisser und ein Moralapostel. Manchmal glaubte er wohl schon selbst, er sei ein Heiliger. Askese, Meditieren und Kräuter fressen. Dass ein Mensch auch Schwächen haben kann, wollte er nicht verstehen.«
»Kannte er Ihre Schwächen?«
»Marlena?«
»Gibt es vielleicht noch andere Schülerinnen?«
»Was?«
»Wäre nicht das erste Mal.«
»Sie spinnen wohl.« Koch sprang auf.
»Wenn Schwarz das wusste, hatte er Sie in der Hand.«
»Sie reden Schwachsinn.«
»Hat er Sie erpresst?«
»Verlassen Sie mein Haus. Sie hören von meinem Anwalt.«
Diesen Satz hatte Belledin schon so oft gehört, wie »Morgen soll es regnen«. Er ging bei ihm in ein Ohr rein und aus dem anderen raus.
»Warum wollte sich Ihre Frau umbringen? Hat Sie von dem Verhältnis gewusst?«
»Raus. Ich habe gesagt, Sie sollen raus.« Koch wurde laut.
»Sie wecken die Kinder.« Belledin blieb hart. Gleich hatte er ihn so weit.
Marlena kam die Treppen heruntergerannt. Sie hatte sich angezogen. Ohne einen Blick auf Koch und Belledin lief sie aus dem Haus. Die Tür ließ sie offen. Koch wollte an Belledin vorbei, Marlena einfangen, aber Belledin versperrte ihm den Weg.
»Hat Ihre Frau von dem Verhältnis gewusst?« Scharf wie das Messer einer Fleischschneidemaschine schnitt Belledins Stimme.
»Daniela war schon immer gefährdet. Seit ihrer Schulzeit.«
»War sie auch eine Ihrer Schülerinnen?«
Koch schüttelte den Kopf.
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