Um die Wurst (German Edition)
ändern soll. Nomen est omen. Aber ich schaff’s nit. Kann mich doch nit auf einmal Siegfried oder Gunther nennen, nur weil ich kein Verräter sein will. Und ob du’s glaubsch oder nit, ich hab au schon Leut verrate. Emotional. Verstehsch?« Er zündete die Tüte an und inhalierte tief, dann reichte er den Joint an Stark weiter.
*
Bärbel hatte sich auf dem Sofa zusammengerollt und schlief. Killian sah sie an und dachte an Swintha. Sie hatte viel von ihrer Mutter. Aber nur äußerlich. Vom Wesen kam sie nach ihm. Sie meldete sich nicht, wenn sie unterwegs war. Er verstand sie. Wenn man in einer anderen Welt war, vergaß man die alte gerne, auch wenn man sie liebte. Wer das konnte, war reich. Alles andere vergessen, nur den Moment leben. Er selbst schien es verlernt zu haben. Immer häufiger hing er vergangenen Bildern nach. Mit Stark konnte er den Moment leben. Sie forderte ihn ein. Sie war aber nicht hier, sondern Bärbel. Und Bärbel gehörte zur Vergangenheit.
Er nahm einen Schluck heißes Wasser und setzte sich an den Rechner. Moshe hatte sich noch nicht gemeldet. Die CD schien eine härtere Nuss zu sein. Dafür blinkte eine neue Mail in seinem Postfach. Von Wagner. Mit Anhang. Es waren seine Schlachthof-Fotos. Er öffnete sie: Gotthard, Spiegelhalter und Erdogan bei der Arbeit. Dazwischen totes Fleisch. Gehackt, zerstückelt, in Containern gestapelt. Das Rot des Blutes klebte an den Schürzen der Metzger.
Killian klickte weiter. Immer schneller. So schnell, wie sein Herz zu rasen begann beim Anblick der Täter und Opfer. Erst nachdem er dreimal durch die Serie gehetzt war, warf er sich schweißnass in den Stuhl zurück und schnappte nach Luft. Jetzt, er wollte im Jetzt sein. Aber die Vergangenheit würgte ihn. Es gab kein Jetzt ohne Geschichte. Die Vergangenheit war auch ein Jetzt, nur mit einer größeren Zeitklammer. Er lachte. Ja. So war es. Das ganze Leben ein großes Jetzt. Das musste man begreifen. Dann war man frei.
Er sah das Foto an, das er zuletzt angeklickt hatte. Es war anscheinend unbeabsichtigt entstanden. Er musste es geschossen haben, als er die Kamera verstecken wollte. Es zeigte die unteren Leisten eines Containers und viel Boden. Auf dem Container klebte ein Schild.
Killian zoomte es heran: »Rzeźnia Kraków« . Ein wenig Polnisch sprach er. »Metzgerei Krakau«. Ging das Fleisch nach Polen?
Er klickte weiter. Gotthard und Spiegelhalter im Gespräch. Er musste mit Gotthard reden. Wo war Gotthard? Und seine Tochter, wo war Britta Vogt?
Killian googelte Gotthards Adresse und fand sie in Endingen, Rempartstraße 7. Britta war dort ebenfalls gemeldet. Er warf sich seine Weste über und verließ das Atelier.
ELF
Stark lag auf dem Rücken. Die Matratze hing durch, als hätten Generationen von WG s sie geritten. Der Student nestelte an ihrer Hose, grunzte dabei lüstern, sah sie an und schlabberte mit der Zunge. Sie sah es durch einen dichten Schleier hindurch. Er grinste doof, zeigte Zahnfleisch und tauchte mit seinem Kopf zu ihrem Schoß hinab. Jetzt grapschte er ungeschickt an ihrer Jeans, um sie von ihren Hüften zu ziehen. Es gelang ihm nach mehreren Versuchen. Stark brauchte nur einen einzigen. Der Handkantenschlag in seinem Genick saß. Er sackte bewusstlos auf ihren Bauchnabel. Sie wälzte ihn zur Seite und zog sich die Hose hoch.
Was glaubte dieser Trottel? Dass sie mit jedem Kiffer ins Bett stieg? Noch nicht einmal das Vorspiel hätte er überstanden. Aber sie brauchte seine Bude. In ihrer Wohnung war sie nicht mehr sicher. Und auch hier hatte sie nur eine kurze Verschnaufpause, Schewtschenkos Leute waren ihr bestimmt gefolgt. Sie musste rasch weiter. Wohin? Weg. Einfach nur weg. Ins Ausland. So schnell wie möglich.
Sie brauchte neue Papiere. Eine neue Identität. Und Geld. Viel Geld. Verdammt. Woher sollte sie das nehmen? Sie konnte sich bei ihren Leuten melden und dort um Hilfe bitten. Doch die trauten ihr auch nicht über den Weg. Auch die dachten, sie wüsste, wohin die fünf Tonnen verschwunden waren. Dabei wusste sie gar nichts. Jetzt wünschte sie, dass sie es wüsste. Ihr war egal, woher das Geld käme. Keine Seite war die bessere. Überall lauerten Verräter. Petzold, das Schwein. Sie hätte es wissen müssen. Er hatte sie an Schewtschenko verraten. Vermutlich schon damals. Sie würde ihn töten. Nicht jetzt. Dafür war keine Zeit. Aber der Tag würde kommen. Sie stand allein. Keiner konnte ihr helfen. Nein, nicht ganz. Vielleicht einer. Sie hatte es gespürt. Da
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