Um Haaresbreite
und nicht als ein Robin Hood.«
»Wie erklären Sie es sich?«
»Er wollte den Zug ausrauben«, erwiderte Beatty, ohne zu zögern. »Aber irgend etwas ging schief. Es gab ein schweres Gewitter in jener Nacht. Der Zug hatte Verspätung. Vielleicht hat es mit seinem Zeitplan nicht geklappt. Ich weiß nicht.
Irgendwas ist ihm dazwischengekommen.«
»Was war denn in dem Zug, das sich zu rauben lohnte?« fragte Pitt.
»Zwei Millionen in Goldmünzen.«
Pitt blickte auf. »Ich habe nichts von einem Goldtransport im
Manhattan Limited gelesen.«
»St. Gaudens Zwanzig-Dollar-Goldstücke, 1914 in Philadelphia geprägt. Für verschiedene Banken in New York bestimmt. Massey mußte es irgendwie erfahren haben. Die Eisenbahnbehörden hielten es für schlau, den Wagen mit dem Gold über eine lange Nebenstrecke zu befördern, anstatt ihn direkt über die Hauptroute zu schicken. Angeblich wurde der Wagen in Albany an den
Manhattan Limited
gekoppelt. Das läßt sich natürlich nicht mehr beweisen. Der Verlust, falls es je einen solchen gegeben hat, wurde nie gemeldet. Die Herren Bankiers hielten es wahrscheinlich wegen ihres Images für besser, die Sache zu vertuschen.«
»Das könnte erklären, warum die Eisenbahngesellschaft sich fast bis zur Pleite verausgabte, um den Zug zu bergen.«
»Vielleicht.« Beatty verlor sich eine Weile in der Vergangenheit. Dann sagte er: »Von allen Verbrechen, die ich in den Polizeiarchiven der ganzen Welt untersucht habe, ist mir Masseys Pfennigdiebstahl in Wacketshire das größte Rätsel.«
»Es riecht mir, als gäbe es da noch einen anderen Grund.«
»Wieso?«
»Heute früh fand ein Labor Rückstände von Eisensulfid auf Trümmerstücken der Deauville-Hudson-Brücke.«
Beattys Augen wurden schmal. »Eisensulfid wird in Schwarzpulver verwendet.«
»Richtig. Es sieht aus, als habe Clement Massey die Brücke gesprengt.«
Beatty war einigermaßen verblüfft. »Aber warum? Was war sein Motiv?«
»Die Antwort erfahren wir, wenn wir den
Manhattan Limited
gefunden haben«, sagte Pitt.
Pitt fuhr versonnen zur
De Soto
zurück. Ein Gedanke, den er zuerst beiseite geschoben hatte, drängte sich ihm immer wieder auf. Er wollte ihn sich aus dem Kopf schlagen, aber es gelang ihm nicht.
Er hielt bei einer Telefonzelle auf dem Parkplatz eines Supermarktes und wählte eine Nummer in Washington. Eine barsche Stimme meldete sich.
»Sandecker.«
Pitt brauchte nicht erst seinen Namen zu nennen. »Tun Sie mir einen Gefallen.«
»Schießen Sie los.«
»Ich brauche einen Hubschrauber!«
»Einen was?«
»Einen Hubschrauber. Ich muß ihn bis morgen mittag haben.«
»Und wozu?«
Pitt tat einen tiefen Atemzug und sagte es ihm.
67
Villon steuerte den Privatjet leicht nach links, um einer nachmittäglichen Kumuluswolke auszuweichen. Danielle schaute aus dem Copilotenfenster und sah einen Teppich kanadischer Föhren vorübergleiten.
»Ist es nicht herrlich?« sagte sie.
»In einem Linienflugzeug sieht man die Landschaft nicht«, erwiderte Villon. »Sie fliegen zu hoch, und man ist gleich über den Wolken.«
Danielle trug einen tiefblauen Pullover und einen dazu passenden gestrickten Baumwollrock, der sich über ihre Knie schob. Ihr Gesicht nahm manchmal einen kalten und berechnenden Ausdruck an, der jedoch nicht die innerliche weibliche Wärme, die sie ausstrahlte, verbergen konnte.
»Dein neues Flugzeug ist auch herrlich.«
»Ein Geschenk von meinen wohlbestallten Anhängern. Die Papiere lauten natürlich nicht auf meinen Namen, aber es steht mir jederzeit zur Verfügung.«
Sie schwiegen eine Weile, und Villon nahm Kurs über den Laurenti-des-Park. Blaue Seen leuchteten überall unter ihnen wie kleine Diamanten in einer Smaragdfassung. Sie erkannten kleine Fischerboote, die auf Forellenfang aus waren.
Danielle sagte schließlich: »Ich freue mich, daß du mich eingeladen hast. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.«
»Es waren ja nur ein paar Wochen«, sagte er, ohne sie anzusehen. »Ich war mit meiner Wahlkampagne beschäftigt.«
»Ich dachte schon… du wolltest mich nicht mehr wiedersehen.«
»Wie kommst du auf diese Idee?«
»Das letzte Mal in dem Landhaus…«
»Was war denn da?« fragte er unschuldig.
»Du warst nicht gerade herzlich.«
Er versuchte sich zu erinnern. Aber da ihm nichts einfiel, schrieb er es weiblicher Überempfindlichkeit zu. »Tut mir leid, ich muß den Kopf voll anderer Dinge gehabt haben.«
Er steuerte das Flugzeug in einen weit ausholenden Bogen und stellte
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