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Um Haaresbreite

Um Haaresbreite

Titel: Um Haaresbreite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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lachte.
    »Eines Abends blieb ein ehemaliger Schiffskapitän über Nacht.
    Er war in Begleitung eines melanesischen Dieners, den er vor vielen Jahren auf den Salomon-Inseln auf sein Schiff genommen hatte. Zum Unglück für die Pilchers war dieser Melanesier früher einmal Menschenfresser gewesen, und seine feinen Geschmacksnerven sagten ihm sofort, aus welchem Fleisch sein Gulasch beschaffen war.«
    »Nicht gerade appetitlich«, sagte Pitt. »Und was geschah mit den Pilchers? Wurden sie hingerichtet?«
    »Nein, sie flohen aus der Untersuchungshaft und wurden nie mehr gesehen.«
    Das Bier kam, und Beatty hielt inne, während Pitt die Rechnung unterschrieb.
    »Ich bin hier und in Kanada alten Verbrechensberichten nachgegangen und suchte nach einer Verbindung zwischen ihrem Modus operandi und späteren ungelösten Mordfällen, aber wie Jack the Ripper haben sie keine weiteren Spuren hinterlassen.«
    »Und wie Clement Massey«, sagte Pitt, um endlich zur Sache zu kommen.
    »Ach ja, Clement Massey, auch der fesche Doyle genannt.«
    Beatty sprach, als erinnerte er sich an einen lieben Verwandten.
    »Ein Räuber, der seiner Zeit um Jahre voraus war. Von ihm könnte heute noch mancher lernen.«
    »War er so gut?«
    »Massey hatte Stil und war unglaublich geschickt. Er plante seine Dinger immer so, daß sie wie die Arbeit einer rivalisierenden Bande aussahen. Soweit mir bekannt ist, hat er sechs Banküberfälle und drei Eisenbahnräubereien auf dem Gewissen, für die jemand anders beschuldigt wurde.«
    »Was wissen Sie über seinen Hintergrund?«
    »Er kam aus einer wohlhabenden Familie in Boston.
    Abschlußprüfung in Harvard, mit höchstem Lob. Blühende Anwaltspraxis in Providence mit Kundschaft aus den besten Kreisen. Heiratete die Tochter einer der ersten Familien, die ihm fünf Kinder schenkte. Wurde zweimal in den Senat von Massachusetts gewählt.«
    »Warum verübte er dann Banküberfälle?« fragte Pitt ungläubig.
    »Einfach aus Spaß«, erwiderte Beatty. »Es hat sich sogar herausgestellt, daß er jeden Penny des geraubten Geldes für wohltätige Zwecke stiftete.«
    »Wie kommt es, daß er nie von den Zeitungen und den alten Boulevardblättern verherrlicht wurde?«
    »Er war längst von der Szene verschwunden, als man diese Verbrechen mit ihm in Verbindung brachte«, antwortete Beatty.
    »Und das geschah erst, nachdem ein findiger Zeitungsreporter den Beweis erbracht hatte, daß Clement Massey und der fesche Doyle identisch waren. Natürlich sorgten seine einflußreichen Freunde und Kollegen dafür, daß der Skandal rasch erstickt wurde. Für einen Prozeß hätten die Beweise ohnehin nicht ausgereicht.«
    »Schwer zu glauben, daß Massey bei keinem seiner Überfälle je erkannt wurde.«
    »Er zeigte sich höchst selten.« Beatty lachte. »Wie ein General, der aus der Etappe die Schlacht leitet, blieb er meist im Hintergrund. All seine Raubzüge fanden außerhalb der Staatsgrenze statt, und nicht einmal seine eigene Bande kannte seine wahre Identität.
    Tatsächlich wurde er einmal erkannt, als er persönlich an einem seiner Überfälle teilnahm, aber die Aussage des Zeugen wurde vom Untersuchungsbeamten als unglaubwürdig abgelehnt. Denn wer hätte geglaubt, daß ein angesehener Senator sich als Bandit betätigt?«
    »Seltsam, daß Massey keine Maske trug.«
    »Das erklärt sich aus seiner Psyche«, sagte Beatty.
    »Wahrscheinlich begeisterte er sich an der Erregung, die man verspürt, wenn man sein Glück auf die äußerste Probe stellt. Ein Doppelleben ist für manche Menschen
die
große Herausforderung. Und doch wünschen sie sich im Unterbewußtsein, geschnappt zu werden. Wie ein Ehemann, der seine Frau betrügt, und mit Lippenstift verschmierte Taschentücher in den Wäschekorb wirft.«
    »Aber warum dann der Überfall im Bahnhof von Wacketshire? Warum riskierte Massey alles für lumpige achtzehn Dollar?«
    »Ich habe schon manche schlaflose Nacht über diesem Rätsel verbracht.« Beatty blickte auf den Tisch und drehte sein Glas in der Hand. »Massey hat sonst nie etwas unternommen, was ihm nicht mindestens fünfundzwanzig Riesen einbrachte.«
    »Und gleich darauf ist er verschwunden.«
    »Ich würde auch verschwinden, wenn ich den Tod von hundert Menschen verursacht hätte.« Beatty nahm einen langen Schluck Bier. »Weil er dem Bahnhofsvorsteher nicht erlaubte, den Zug anzuhalten, und damit zuließ, daß Frauen und Kinder im kalten Fluß ertranken, ging er in die Annalen des Verbrechens als Massenmörder ein

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