Um Haaresbreite
dann den Autopiloten ein. Er lächelte. »Komm, ich werde es wiedergutmachen.«
Er nahm ihre Hand und führte sie aus dem Cockpit.
Die Passagierkabine erstreckte sich über sechs Meter bis zum Waschraum. Drei Sessel und ein Sofa, ein dicker Bodenteppich, eine gutausgerüstete Bar und ein Eßtisch. Er öffnete die Tür zu einem Schlafraum und wies auf ein breites Bett.
»Das ideale Liebesnest«, sagte er. »Intim, abgeschlossen und geschützt vor neugierigen Blicken.«
Das Sonnenlicht drang durch die Fenster und breitete sich über die Laken aus. Danielle setzte sich auf, als Villon ihr einen Drink aus der Passagierkabine brachte.
»Gibt es kein Gesetz gegen so etwas?« fragte sie.
»Gegen Sex in fünfzehnhundert Meter Höhe?«
»Nein.« Sie nippte an ihrer Bloody Mary. »Aber gegen das Im-Kreis-Herumfliegen, ohne daß jemand im Cockpit sitzt.«
»Willst du mich anzeigen?«
Sie streckte sich verführerisch auf dem Bett aus. »Ich kann mir die Schlagzeilen vorstellen: ›NEUER PRÄSIDENT VON QUEBEC IN FLIEGENDEM FREUDENHAUS ERWISCHT‹«
Er lachte. »Ich bin noch nicht Präsident.«
»Du wirst es nach den Wahlen sein.«
»Die sind erst in sechs Monaten. Bis dahin kann noch viel passieren.«
»Nach den Meinungsumfragen bist du es so gut wie sicher.«
»Und was sagt Charles?«
»Er erwähnt dich überhaupt nicht mehr.«
Villon setzte sich auf das Bett und strich ihr sanft mit den Fingern über den Bauch. »Jetzt, da das Parlament ihm das Vertrauen entzogen hat, ist all seine Macht verflogen. Warum verläßt du ihn nicht? Das würde die Sache wesentlich vereinfachen.«
»Es ist besser, ich bleibe noch eine Weile bei ihm. So kann ich immer noch viel erfahren, was für Quebec wichtig ist.«
»Da wir gerade beim Thema sind: Über etwas bin ich wirklich besorgt.«
Sie runzelte die Stirn. »Was ist es?«
»Der Präsident der Vereinigten Staaten wendet sich nächste Woche an das Parlament. Ich möchte wissen, was er zu sagen beabsichtigt. Hast du irgend etwas gehört?«
Sie nahm seine Hand und führte sie tiefer. »Charles hat gestern darüber gesprochen. Mach’ dir keine Sorgen. Er sagte, der Präsident wolle dafür plädieren, daß Quebec ordnungsgemäß seinen Unabhängigkeitsstatus erlangt.«
»Ich wußte es«, sagte Villon lächelnd. »Die Amerikaner geben endlich nach.« Danielle begann die Beherrschung zu verlieren und zog ihn an sich.
»Hoffentlich hast du die Benzintanks auffüllen lassen, bevor wir Ottawa verließen«, murmelte sie mit wollüstiger Stimme.
»Wir haben genug für drei weitere Flugstunden«, sagte er, und dann beugte er sich über sie.
»Ein Irrtum ist ausgeschlossen?« fragte Sarveux in den Hörer.
»Völlig ausgeschlossen«, antwortete Oberkommissar Finn.
»Meine Leute sahen sie in Mr. Villons Flugzeug steigen. Wir haben das Radar der Air Force auf sie angesetzt. Seit ein Uhr kreisen sie über dem Laurenti-des-Park.«
»Ihr Mann ist sicher, daß es Henri Villon war?«
»Jawohl, Sir, ganz ohne Zweifel«, versicherte ihm Finn.
»Danke, Herr Oberkommissar.«
»Nichts zu danken, Herr Premierminister. Ich bleibe am Ball.«
Sarveux legte den Hörer auf, hielt einen Augenblick inne, um sich zu fassen. Dann rief er in die Sprechanlage: »Sie können ihn jetzt hereinschicken.« Sarveux’ Gesicht war aufs äußerste gespannt. Es war ein solcher Schock, daß er seinen Augen und seinem Verstand nicht traute. Die Beine gehorchten ihm nicht mehr, und er brachte nicht die Kraft auf, sich hinter seinem Schreibtisch zu erheben. Der Besucher kam durch das Zimmer auf ihn zu und blickte auf ihn herab.
»Ich danke dir, daß du mich empfängst, Charles.«
Der gleiche kalte Gesichtsausdruck, die gleiche Stimme, die er so gut kannte. Sarveux bemühte sich verzweifelt, die äußere Ruhe zu bewahren, aber er fühlte sich plötzlich schwach und benommen.
Der Mann, der da vor ihm stand, war der leibhaftige Villon, völlig beherrscht, lässig und distanziert wie immer.
»Ich dachte… ich dachte, du seist… du seist in Quebec bei deiner Wahlkampagne«, stammelte Sarveux.
»Ich nahm mir die Zeit und bin nach Ottawa gekommen, weil ich hoffte, wir könnten einen Waffenstillstand schließen.«
»Der Abgrund, der uns trennt, ist zu tief«, sagte Sarveux, der langsam die Fassung wiedergewann.
»Kanada und Quebec müssen lernen, von nun an ohne weitere Reibungen zusammenzuleben«, sagte Villon. »Das gleiche gilt für dich und mich.«
»Vernunftgründen will ich mich nicht verschließen.«
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