Um Haaresbreite
nahm Kurs flußabwärts.
Alle standen an der Reling, starrten auf die
Kriechwanze,
fragten sich, wozu sie diente.
Plötzlich öffnete sich eine Luke, ein Kopf erschien und ein Paar Augen mit schweren Lidern blickte die verblüfften Zuschauer an.
»Wo, zum Teufel, steckt Pitt?« rief der Mann.
»Hier!« brüllte Pitt zurück.
»Rate mal, was ich gefunden habe.«
»Bestimmt eine Flasche Schlangenmedizin in deiner Koje.«
»Woher weißt du das?« Sam Quayle lachte.
»Ist Lasky bei dir?«
»Unten. Er stellt die Ballastkontrolle für seichtes Wasser ein.«
»War es nicht sehr gewagt, die ganze Strecke von Boston bis hier in diesem Ding zu fliegen?«
»Vielleicht, aber wir gewannen Zeit und haben während des Flugs das elektronische System in Gang gesetzt.«
»Wie lange braucht ihr noch, bis ihr tauchen könnt?«
»Gib uns eine Stunde.«
Chase trat zu Giordino. »Was ist denn das für eine technische Perversion?« fragte er.
»Wenn du eine Ahnung hättest, was das Ding gekostet hat, würdest du ihm mehr Ehrfurcht entgegenbringen«, antwortete Giordino lächelnd.
Drei Stunden später kroch die
Kriechwanze,
den Oberteil zweieinhalb Meter über dem Wasserspiegel, langsam durch das Flußbett. In ihrem Inneren herrschte atemlose Spannung, als sie sich gefährlich den scharfkantigen Brückentrümmern näherte.
Pitt hielt den Blick unverwandt auf die Bildschirme gerichtet, während Bill Lasky das kleine Schiff gegen den Strom manövrierte. Hinter ihnen beobachtete Quayle die Computersystemausgabe, um etwaige Ergebnisse abzulesen.
»Hast du einen Kontakt?« fragte Pitt zum vierten Mal.
»Alles negativ«, antwortete Quayle.
»Ich habe die Strahlung erweitert und erfasse jetzt eine Breite von zwanzig Metern auf einer Tiefe von hundert in den Gesteinsschichten, aber ich stoße nur auf Felsen.«
»Wir sind zu weit flußaufwärts.« Pitt wandte sich an Lasky.
»Bringe Sie noch einmal herum.«
»In einem neuen Winkel«, bestätigte Lasky und hantierte an seinem Kontrollpult.
Fünf weitere Male bahnte sich die
Kriechwanze
ihren Weg durch die versunkenen Trümmer.
Sie hatten bereits zwei Kratzer abbekommen, und Pitt wußte nur zu gut, daß man ihn, falls die Hülle aufriß, für den Verlust des Sechshundertmillionendollarschiffs verantwortlich machen würde.
Quayle schien unempfindlich gegenüber den Gefahren. Er war wütend, daß sein Instrument stumm blieb. Es ärgerte ihn besonders, weil er glaubte, daran schuld zu sein.
»Muß eine Funktionsstörung sein«, brummte er. »Ich hätte schon längst auf etwas stoßen müssen.«
»Kannst du feststellen, woran es liegt?« fragte Pitt.
»Nein, verdammt noch mal!« schnappte Quayle zurück. »Alle Systeme funktionieren normal. Ich muß mich verrechnet haben, als ich die Computer neu programmierte.«
Die Hoffnungen auf eine rasche Entdeckung verflogen. Und dann, als sie nochmals wendeten, drückte die Strömung gegen die Steuerbordseite der
Kriechwanze
und trieb sie mit dem Kiel in eine Schlammbank. Lasky kämpfte fast eine Stunde mit den Kontrollhebeln, bis sie wieder freikamen.
Pitt gab die Koordinaten für einen neuen Kurs an, als Giordinos Stimme im Lautsprecher der Meldeanlage ertönte.
»De Soto
ruft
Kriechwanze.
Hört ihr mich?«
»Ich höre«, sagte Pitt gereizt.
»Ihr seid ziemlich still geworden.«
»Wir haben nichts zu berichten«, antwortete Pitt.
»Ihr solltet lieber den Laden schließen. Ein schwerer Sturm ist im Anzug. Chase möchte gern unser elektronisches Wunder in Sicherheit bringen, bevor es losgeht.«
Es widerstrebte Pitt, aber es war sinnlos, weiterzumachen. Die Zeit war abgelaufen. Selbst wenn sie den Zug in den nächsten Stunden finden würden, blieb es höchst zweifelhaft, ob die Bergungsmannschaft den Wagen, in dem Essex gereist war, finden und heraufschaffen konnte, bevor der Präsident seine Rede vor dem Parlament hielt.
»Na schön«, sagte Pitt. »Macht euch zum Empfang bereit. Wir geben es auf.«
Giordino stand auf der Kommandobrücke und nickte den dunklen Wolken, die sich über dem Schiff ballten, zu. »Dieses Unternehmen stand von Anfang an unter einem bösen Stern«, murmelte er betrübt. »Als ob wir nicht schon genug Probleme hätten… jetzt kommt auch noch das Wetter dazu.«
»Irgend jemand da oben mag uns nicht«, sagte Chase und zeigte zum Himmel.
»Du beschuldigst den lieben Gott, du Heide?« scherzte Giordino.
»Nein«, erwiderte Chase mit ernstem Gesicht. »Aber das Gespenst.«
Pitt drehte sich um. »Das
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