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Um Haaresbreite

Um Haaresbreite

Titel: Um Haaresbreite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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Gespenst?«
    »Eine unnennbare Erscheinung hier in der Gegend«, sagte Chase. »Niemand will zugeben, sie gesehen zu haben.«
    »Du vielleicht«, sagte Giordino grinsend. »Ich habe das Ding nur gehört.«
    »Das Licht war heller als die Hölle, als es gestern nacht den Damm zur Brücke heraufraste.
    Der Strahl beleuchtete das halbe östliche Ufer. Das kannst du unmöglich übersehen haben.«
    »Moment mal«, unterbrach ihn Pitt. »Redet ihr vom Geisterzug?«
    Giordino starrte ihn an. »Du wußtest davon?«
    »Weiß das nicht jeder?« fragte Pitt mit gespieltem Ernst. »Es geht die Mär, daß der fluchbeladene Zug noch immer versucht, die Deauville-Hudson-Brücke zu überqueren.«
    »Glauben Sie wirklich daran?« fragte Chase neugierig.
    »Ich glaube, daß irgend etwas auf dem alten Bahndamm seinen nächtlichen Spuk treibt. Es war sogar verdammt nahe dran, mich zu überfahren.«
    »Wann?«
    »Vor ein paar Monaten, als ich hierher kam, um mich zu orientieren.«
    Giordino schüttelte den Kopf. »Wir sind wenigstens nicht die einzigen, die in die Klapsmühle kommen.«
    »Wie oft hat das Gespenst euch besucht?«
    Giordino warf Chase einen Blick zu. »Zwei-, nein, dreimal.«
    »Und du sagst, in manchen Nächten hast du nur Geräusche gehört und keine Lichter gesehen?«
    »Die ersten beiden Male hörten wir nur die Pfiffe und das Fauchen einer Dampflokomotive«, erklärte Chase. »Beim dritten Mal hatten wir dann die ganze Vorstellung. Den Lärm und dazu ein blendendes Leuchten.«
    »Das Leuchten habe ich auch gesehen«, sagte Pitt nachdenklich. »Wie waren die Wetterverhältnisse?«
    Chase überlegte einen Augenblick. »Soweit ich mich erinnere, war es klar und finster, als das Licht erschien.«
    »Stimmt«, fügte Giordino hinzu. »Bei hellem Mondlicht hörte man nur den Lärm.«
    »Dann hätten wir bereits etwas«, sagt e Pitt. »Als ich es sah, schien auch kein Mond.«
    »All das Gerede über Gespenster bringt uns auch nicht weiter«, sagte Giordino. »Ich schlage vor, wir kehren wieder in die Wirklichkeit zurück und überlegen uns, wie wir in den nächsten…« – er bückte auf seine Uhr – »vierundsiebzig Stunden unter die Brückentrümmer gelangen können.«
    »Ich habe einen anderen Vorschlag«, sagte Pitt.
    »Und der wäre?«
    »Von hier abzuhauen.«
    Giordino war bereit zu lächeln, falls Pitt einen Witz machte.
    Aber Pitt hatte keinen Witz gemacht.
    »Was wirst du dem Präsidenten sagen?«
    Pitt machte ein seltsam abwesendes Gesicht. »Dem Präsidenten?« wiederholte er gelassen. »Ich werde ihm sagen, wir hätten eine Menge kostbarer Zeit und Geld auf ein Hirngespinst verschwendet.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Der
Manhattan Limited
«, antwortete Pitt, »liegt nicht auf dem Grund des Hudson. Er hat nie dort gelegen.«
70
    Die untergehende Sonne verschwand plötzlich hinter den Wolken. Der Himmel wurde finster und bedrohlich. Pitt und Giordino standen auf dem alten Bahndamm und lauschten auf das tiefe Dröhnen des sich nähernden Sturms. Ein Blitz zuckte, der Donner folgte, und dann fiel der Regen.
    Der Wind fuhr mit teuflischem Geheul durch die Bäume. Die feuchte Luft war drückend und mit Elektrizität geladen. Bald war es finster, und man sah nur noch schwarze Umrisse, über die hier und da ein weißer Schimmer zuckte. Windböen peitschten ihnen kalte Regentropfen ins Gesicht.
    Pitt schlug den Kragen seines Regenmantels hoch, stemmte die Schultern gegen den Sturm.
    »Wie kannst du sicher sein, daß es dieses Mal kommt?« rief ihm Giordino durch den Wind zu.
    »Die Bedingungen sind die gleichen wie in der Nacht, als der Zug verschwand«, rief Pitt zurück. »Ich rechne mit dem melodramatischen Zeitgefühl des Gespenstes.«
    »Ich gebe ihm noch eine Stunde«, sagte der sich elend fühlende Chase. »Und dann gehe ich aufs Boot zurück und genehmige mir einen herzhaften Schluck Jack Daniel’s Bourbon.«
    Pitt nahm ihn beim Arm. »Komm, gehen wir den Bahndamm ein Stück hinunter.«
    Giordino folgte ihnen widerwillig. Fast unaufhörlich blitzte es, und vom Ufer aus sah die
De Soto
jetzt auch wie ein Gespenst aus. Einen kurzen Augenblick leuchtete sie hell auf, und dann war sie wieder nur noch ein schwarzer Umriß. Das einzige Lebenszeichen war das weiße Licht auf dem Mast.
    Nach etwa einer halben Meile blieb Pitt stehen, neigte den Kopf, lauschte. »Ich glaube, ich höre etwas.«
    Giordino hielt sich die Hände hinter die Ohren. Er wartete, bis der Donner verhallt war, und dann hörte er es auch: Den

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