Um Haaresbreite
Breitschwanzjacke trug. Ihr rabenschwarzes Haar hing nach vorn über die rechte Schulter.
Hunderte von Fragen tönten ihr entgegen, ein ganzer Wald von Mikrofo nen wurde ihr entgegengestreckt, aber sie ignorierte es.
Vier hünenhafte
Mounties
bahnten ihr den Weg zum Fahrstuhl.
Im vierten Stock trat der Chefarzt auf sie zu und stellte sich als Dr. Ericsson vor.
Sie blickte ihn an, hielt sich zurück, die gefürchtete Frage zu stellen. Ericsson griff ihrer Besorgnis voraus und setzte sein bestes ärztliches Zuversichtslächeln auf. »Der Zustand Ihres Gemahls ist zwar ernst, aber sein Leben ist nicht in Gefahr. Er hat schwere Hautabschürfungen erlitten, die fast fünfzig Prozent seines Körpers bedecken, aber es hat keine weiteren Komplikationen gegeben. Wir werden Hautverpflanzungen vornehmen müssen, vor allem an den Händen, wo die Gewebeverluste besonders schwer sind. Was die Knochenbrüche anbetrifft, so war unser orthopädisches Spezialistenteam sehr erfolgreich.
Allerdings wird es vielleicht noch Monate dauern, bis er aufstehen und sich richtig bewegen kann.«
Sie sah, daß er Ausflüchte machte. »Können Sie mir versprechen, daß Charles zu gegebener Zeit wieder völlig hergestellt ist?«
Jetzt war Ericsson in die Ecke getrieben. »Ich muß Ihnen leider gestehen, daß der Herr Premierminister ein leichtes Hinken beibehalten wird.«
»Und das nennen Sie eine geringfügige Komplikation?«
Der Arzt hielt ihrem Blick stand. »Jawohl, Madame, das tue ich. Der Herr Premierminister hat ein unglaubliches Glück gehabt. Keine komplizierten inneren Verletzungen, keine Beeinträchtigung seiner geistigen und körperlichen Funktionen, und die Narben werden mit der Zeit verheilen. Schlimmstenfalls wird er am Stock gehen müssen.«
Zu seiner Überraschung verzog sich ihr Mund zu einem zynischen Lächeln. »Charles am Stock! Mein Gott, das ist ja unbezahlbar.«
»Wie bitte, Madame?«
Das Hinken wird ihm mindestens zwanzigtausend Wahlstimmen einbringen,
war die Antwort, die ihr durch den Kopf ging, aber so mühelos, wie ein Chamäleon die Farbe wechselt, gab sie ihrem Gesicht wieder den Ausdruck der besorgten Ehefrau. »Kann ich ihn sehen?«
Ericsson nickte und führte sie zu einer Tür am Ende des Korridors. »Die Wirkung der Narkose ist noch nicht ganz vorüber, und Sie werden ihn vielleicht noch ein bißchen benommen finden. Außerdem hat er starke Schmerzen, und ich muß Sie bitten, Ihren Besuch möglichst kurz zu machen. Das Personal hat ein anschließendes Zimmer zur Verfügung gestellt, falls Sie wünschen, in seiner Nähe zu bleiben, während er sich erholt.«
Danielle schüttelte den Kopf. »Die Berater meines Mannes halten es für besser, wenn ich in der offiziellen Residenz bleibe, wo ich bei der Erledigung seiner laufenden Amtspflichten behilflich sein kann.«
»Ich verstehe.« Er öffnete die Tür und trat zur Seite. Um das Krankenbett standen mehrere Ärzte und Krankenschwestern und ein wachsamer
Mountie.
Sie verließen das Zimmer, als sie eintrat.
Der Geruch der Antiseptika und der Anblick des unbandagierten rohen Fleisches auf den Armen ließen Übelkeit in ihr aufsteigen. Sie zögerte einen Augenblick. Dann erkannte er sie durch halbgeöffnete Augen, und seine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln.
»Danielle«, sagte er mit schleppender Stimme. »Verzeih mir, daß ich dich nicht küsse.«
Zum ersten Mal sah sie Sarveux ohne seinen Panzer von Stolz.
Er war ihr bisher noch nie wehrlos und verletzlich erschienen, und sie vermochte kaum, diesen gebrochenen und unbeweglichen Körper auf dem Krankenhausbett mit dem eitlen Mann in Verbindung zu bringen, mit dem sie seit zehn Jahren zusammenlebte. Das bleiche, schmerzverzerrte Gesicht war nicht das Gesicht, das sie kannte. Es war ihr, als schaute sie einen Fremden an.
Zögernd beugte sie sich über ihn und küßte ihn sanft auf die Wangen. Dann strich sie ihm das graue Haar aus der Stirn, wußte nicht, was sie sagen sollte.
»Dein Geburtstag«, sagte er plötzlich. »Ich hatte deinen Geburtstag ganz vergessen.«
Sie sah ihn verwirrt an. »Aber mein Geburtstag ist doch noch lange nicht fällig, Liebster.«
»Ich wollte dir ein Geschenk kaufen.«
Sie wandte sich an den Arzt. »Er scheint zu phantasieren.«
Ericsson schüttelte den Kopf. »Die Nachwirkungen der Narkose.«
»Gott sei Dank wurde nur ich verletzt, und nicht du«, redete Sarveux weiter. »Meine Schuld.«
»Nein, nein, es war nicht deine Schuld«, sagte Danielle mit
Weitere Kostenlose Bücher