Um Haaresbreite
Pakt zu vernichten«.
Sie grübelte darüber nach. Im Laufe ihres zweijährigen Studiums hatte sie Woodrow Wilson so gut kennengelernt, daß sie ihn fast als einen Lieblingsonkel betrachtete, und sie hatte bisher nichts an ihm entdeckt, das auf eine Watergate-Mentalität bei ihm hinweisen könnte.
Die Warnglocke ertönte, und es blieben ihr noch zehn Minuten bis zur Schließung des Archivs. Sie schrieb den Brief rasch auf ihren Notizblock ab. Dann brachte sie die beiden Ordner zum Tisch der Archivarin zurück.
»Sind Sie auf etwas Nützliches gestoßen?« fragte Mildred.
»Nur ein kleiner Hinweis, den ich nicht erwartet hätte«, antwortete Heidi ausweichend.
»Und wo treiben Sie Ihre nächsten Studien?«
»In Washington, im Nationalarchiv.«
»Viel Glück. Hoffentlich finden Sie einen Knüller.«
»Einen Knüller?«
»Vielleicht entdecken Sie einen bisher übersehenen Schatz von Informationen.«
Heidi zuckte die Schultern. »Man kann nie wissen.«
Sie hatte nicht geplant, der Bedeutung des seltsamen Briefes Wilsons weiter nachzugehen.
Aber jetzt hatte sie das Gefühl, daß es sich lohnte, etwas Genaueres zu erfahren.
9
Der Historiker des Senats lehnte sich in seinen Stuhl zurück.
»Ich bedaure, Kapitän, aber wir haben hier im Capitol leider keine Bodenkammer, in der wir Dokumente des Kongresses aufbewahren.«
»Ich verstehe«, sagte Heidi. »Aber Sie sind auf alte Fotografien spezialisiert.«
Jack Murphy nickte. »Ja, wir verfügen über eine ziemlich ausgiebige Sammlung von offiziellen Fotos, die bis in die vierziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts zurückgeht.« Er spielte mit dem Briefbeschwerer auf seinem Schreibtisch.
»Haben Sie es im Nationalarchiv versucht? Dort finden Sie ein ganzes Warenlager an Material.«
»Es war vergebliche Mühe«, erwiderte Heidi. »Ich habe nichts gefunden, das sich auf mein Forschungsgebiet bezieht.«
»Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Mich interessiert ein Abkommen zwischen England und Amerika. Ich dachte mir, daß man bei der Unterzeichnungszeremonie vielleicht ein Foto gemacht hat.«
»Davon haben wir jede Menge. Ein Präsident, der sich beim Unterschreiben eines Vertrages nicht zeichnen oder fotografieren läßt, müßte erst noch geboren werden.«
»Der einzige Hinweis, den ich Ihnen geben kann, ist das ungefähre Datum. Es muß in den ersten sechs Monaten des Jahres neunzehnhundertvierzehn gewesen sein.«
»Auf Anhieb kann ich mich an ein solches Ereignis nicht erinnern«, sagte Murphy nachdenklich. »Aber ich will der Sache gern für Sie nachgehen. Es könnte ein paar Tage in Anspruch nehmen. Ich habe vorher noch einige andere Gesuche zu erledigen.«
»Ich verstehe. Vielen Dank.«
Murphy zögerte, blickte sie dann forschend an. »Ich finde es immerhin höchst seltsam, daß Sie in den offiziellen Archiven keinen Hinweis auf einen englisch-amerikanischen Vertrag finden konnten. Haben Sie irgendeine Referenz?«
»Ich fand nur einen von Präsident Wilson an Premierminister Asquith geschriebenen Brief, in dem er einen offiziell unterzeichneten Vertrag erwähnt.«
Murphy erhob sich von seinem Schreibtisch und begleitete Heidi zur Tür. »Wir werden es mal versuchen, Kapitän Milligan.
Falls ein solches Foto existiert, finden wir es.«
Heidi saß in ihrem Zimmer im Jefferson-Hotel und betrachtete sich im Spiegel des Kosmetikköfferchens. Abgesehen von ein paar kleinen Runzeln in den Augenwinkeln hatte sie ein jugendliches Gesicht bewahrt, und ihre Figur war immer noch tadellos.
Im Laufe der letzten drei Jahre hatte sie eine Gebärmutteroperation, eine Scheidung und eine halbjährige Liebesaffäre mit einem dreißig Jahre älteren Admiral durchgemacht, der vor kurzem an einem Herzanfall gestorben war. Und doch wirkte sie immer noch so frisch und lebhaft wie zur Zeit, als sie in Annapolis ihre Reifeprüfung bestanden hatte.
Sie neigte sich näher dem Spiegel zu, warf einen prüfenden Blick auf ihre braunen Augen.
Das rechte hatte einen kleinen Fehler in Form eines ovalen grauen Flecks auf der unteren Iris.
Heterochromia iridis hatte der Augenarzt festgestellt, als sie zehn Jahre alt war, und ihre Schulkameradinnen hatten sie oft wegen ihres »bösen Blicks« gehänselt. Von da an hatte sie es sich zum Stolz gemacht, anders zu sein, besonders später, als die Jungen sich für sie zu interessieren begannen.
Seit dem Tod des Admirals Walter Bass hatte sie nicht mehr das Bedürfnis empfunden, sich ernsthaft mit einem Mann einzulassen. Aber heute hing
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