Um Haaresbreite
wollte nicht heiraten. Er meinte, es wäre eine Dummheit, wenn eine junge Frau sich an einen Mann bindet, der bereits mit einem Fuß im Grabe steht.«
Pitt sah, wie ihr die Tränen in die Augen traten, und er wechselte rasch das Thema. »Nimm es mir nicht übel, aber ich finde, du siehst ganz wie ein Schulmädchen bei seinem ersten Ausgang nach der Reifeprüfung aus.«
»Das richtige Kompliment im richtigen Augenblick.« Heidi faßte sich und blickte sich im Saal um. »Ich möchte dich nicht länger aufhalten. Du hast sicher eine Verabredung.«
»Nein, ich bin frei.« Seine Augen lächelten. »Ich arbeite an mehreren Projekten und habe heute beschlossen, mich ein bißchen zu entspannen und in Ruhe zu essen.«
»Es freut mich, daß wir uns getroffen haben«, sagte sie leise.
»Du brauchst nur zu befehlen, und ich bin dein Sklave bis morgen früh.«
Sie blickte ihn an, und der ganze Speisesaal existierte nicht mehr für sie. Dann senkte sie nachdenklich den Kopf. »Das würde mir sehr gefallen.«
Als sie in Heidis Hotelzimmer traten, hob Pitt sie sanft empor und trug sie zum Bett. »Bleibe ganz still«, sagte er. »Ich tue alles.«
Er begann, sie ganz langsam auszuziehen. Sie konnte sich nicht erinnern, je von einem Mann so völlig ausgezogen worden zu sein, von den Ohrringen bis zu den Schuhen. Er berührte sie dabei so wenig wie möglich, und die Vorfreude stieg wie ein süßer Schmerz in ihr auf.
Pitt ließ sich nicht zur Eile antreiben. Sie fragte sich, wie viele Frauen er schon auf diese Weise bis zur Weißglut erregt hatte, zumal sie die Leidenschaft in seinen Augen aufflammen sah.
Plötzlich legten sich seine Lippen auf die ihren. Sie waren warm und feucht. Sie ging mit, als seine Arme sich immer fester um ihre Hüften schlangen und er sie zu sich zog. Sie war wie aufgelöst, und ein Stöhnen entrang sich ihrer Kehle.
Im Augenblick, da sie innerlich zu zerspringen glaubte und ihre Muskeln unbeherrscht zuckten, öffnete sie den Mund und schrie auf. Pitt drang in sie ein, und sie kam und kam in einem alles überflutenden Lustrausch, der kein Ende zu nehmen schien.
10
Die genüßlichste Stunde des Schlafs ist nicht die des Einschlummerns oder der tiefen Versunkenheit, sondern die kurz vor dem Erwachen. Erst dann überlagern sich die Träume wie in einem Kaleidoskop bunter Phantasien. In diesem Augenblick vom Klingeln des Telefons unterbrochen zu werden, ist ebenso unerträglich störend wie das Kratzen von Fingernägeln auf einer Schiefertafel.
Was es für Heidi schlimmer machte, war das gleichzeitige Klopfen an ihrer Hotelzimmertür.
Noch vom Schlaf benebelt, nahm sie den Hörer ab und murmelte: »Einen Augenblick bitte.«
Dann schlüpfte sie aus dem Bett, taumelte auf die Tür zu und plötzlich fiel ihr ein, daß sie splitternackt war.
Sie griff nach dem Morgenrock in ihrem Koffer, warf ihn sich über die Schultern und machte die Tür einen Spalt auf. Ein Boy schlängelte sich wie ein Aal durch die Öffnung und stellte eine große Vase mit weißen Rosen auf den Tisch. Immer noch benommen, gab ihm Heidi ein Trinkgeld und ging zum Telefon zurück.
»Es tut mir leid, daß ich Sie warten ließ. Hier ist Korvettenkapitän Milligan.«
»Ach, Kapitän«, sagte die Stimme Jack Murphys, des Historikers vom Senat, »habe ich Sie aufgeweckt?«
»Ich mußte sowieso aufstehen«, erwiderte sie und hatte alle Mühe, sich ihre Wut nicht anmerken zu lassen.
»Ich dachte mir, Sie würden vielleicht gern hören, daß Ihr Anliegen eine Erinnerung in mir ausgelöst hat. Deshalb habe ich gestern nach Feierabend noch ein paar Nachforschungen angestellt und bin auf etwas höchst Interessantes gestoßen.«
Heidi rieb sich die Augen. »Ich höre.«
»Wir haben in unseren Akten keine Fotografien von einer Vertragsunterzeichnung im Jahre neunzehnhundertundvierzehn«, sagte Murphy. »Ich habe jedoch eine alte Aufnahme von William Jennings Bryan gefunden, der damals Wilsons Staatssekretär war. Auf dem Bild ist auch der Untersekretär Richard Essex zu sehen, und Harvey Shields, der im Bildtext als ein Vertreter der Regierung Seiner Majestät bezeichnet wird, und der gerade in einen Wagen steigt.«
»Ich sehe da keinen Zusammenhang«, sagte Heidi.
»Verzeihung, ich wollte Sie nicht in die Irre führen. Natürlich sagt das Foto sehr wenig. Aber auf der Rückseite stehen einige mit Bleistift geschriebene Worte in der unteren linken Ecke, die kaum zu lesen sind. Sie geben das Datum an, den zwanzigsten Mai
Weitere Kostenlose Bücher