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Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod

Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod

Titel: Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ortwin;Höhn Ennigkeit
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jedem anderen Tag.
    Nach dem Urteil wurde ich als stellvertretender Leiter des Kommissariates 12 abgesetzt und dem Leiter der Inspektion 10 (Kapitalverbrechen) unterstellt. Dort hatte ich nur noch administrative Aufgaben zu erledigen. Offiziell wurde als Begründung angegeben, dass ich nicht noch einmal in eine solche Situation geraten sollte.
    Schon damals habe ich versucht, Rückschlüsse aus dem Geschehen zu ziehen. Nicht die Androhung unmittelbaren Zwanges, Schmerzen, hatte Gäfgen dazu gebracht, mir die Wahrheit zu sagen. Ich hatte Glück. Intuition, eigene Erfahrungen, Erlebnisse, Entschlossenheit und Wut, Überzeugungswille, Wiederholungen hatten dazu geführt, dass er mir schließlich sagte, dass Jakob tot sei und seine Leiche in einem See liege.
    Das darf kein Zufall bleiben. Wir müssen uns besser auf solche Situationen vorbereiten.
    Ich machte damals schon den Vorschlag, speziell ausgebildete Vernehmungsteams zu schaffen. Deren Angehörige sollten von Psychologen aus den unterschiedlichsten Bereichen in Körpersprache, Kommunikation und Gesprächsführung geschult werden. Auch müssten die Grenzen, wie weit man gehen dürfe, festgelegt werden. Dazu hätten sich Polizei und Justiz, Staatsanwaltschaft und Richter, zusammensetzen müssen, um gemeinsam zu überlegen, wie man zukünftig in ähnlichen Situation verfahren könnte.
    Soweit mir bekannt ist, hat sich in dieser Hinsicht wenig bis nichts getan. Das Land Hessen hat in den letzten Jahren mehr Psychologen eingestellt und sporadisch zusätzliche Vernehmungsseminare angeboten.
    Für die Justiz war mit dem Urteil offiziell alles erledigt. Es gab keinen Handlungsbedarf.
    Inoffiziell habe ich gehört, dass sich die Leiter der hessischen Staatsanwaltschaften doch Gedanken darüber gemacht hätten und zu dem Ergebnis gekommen seien, dass sie auf Strafverfolgung verzichten müssten, wenn wirklich keine andere Möglichkeit mehr bestehe, unschuldiges Leben zu retten. Was immer das auch bedeuten mag.
    Der damals amtierende Polizeipräsident Harald Weiss-Bollandt wollte mir ein eigenes Kommissariat geben. Nach seiner Pensionierung hat die neue Führungsspitze dies zeitversetzt – im Jahr 2007 – getan. Ich persönlich wäre sehr gerne Leiter des K 12 geworden, aber diese Möglichkeit sah man nicht, so bekam ich die Leitung eines Kommissariates zur Bekämpfung der Eigentumskriminalität übertragen. Nach der ersten Enttäuschung war es dann aber eine interessante Arbeit, und ich hatte tolle Mitarbeiter, mit denen ich mich sehr gut verstanden und sehr gut zusammengearbeitet habe.
    Überraschenderweise erfuhr ich im April 2010, dass ich Leiter eines neu zu organisierenden Kommissariates werden sollte. Ich habe das als Herausforderung begriffen und die Aufgabe auch gerne übernommen.
    Meine Ängste im Zusammenhang mit unserem Prozess sind überwunden, aber mich befallen jedes Mal Wut und Enttäuschung, sobald ich an alles zurückdenke. Es war nicht leicht für mich, dieses Buch zu schreiben.
    Jakob wurde aus Habgier grausam getötet, gnadenlos wurde ein Mensch ermordet und seiner Familie unendliches Leid zugefügt. Ich habe den Wunsch, seinem Tod eine Hoffnung folgen zu lassen. Eine Hoffnung für alle zukünftigen Geiseln und Entführungsopfer: dass ihnen das Recht auf Rettung ohne Wenn und Aber zusteht.
    Im Februar 2010 habe ich Wolfgang Daschner besucht und um ein Schlusswort für dieses Buch gebeten. Er schreibt:
    Am 20. Dezember 2004 starb Jakob von Metzler zum zweiten Mal, einen juristischen Tod, als die Frankfurter Justiz sein Recht auf Leben, Menschenwürde und Freiheit geringer wertete als das Wohlbefinden seines Entführers und Mörders. Um mit Professor Winfried Bruggert aus Heidelberg zu sprechen: »Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, hatte die Binde vor ihren Augen, das Zeichen des Urteilens ohne Ansehen der Person, abgenommen. Aber sie hatte nur ein Auge geöffnet, nämlich das Auge für den Mörder. Das andere – das Auge für sein Opfer – blieb geschlossen.«
    Am »grünen Tisch«, wenn man nicht selbst für Leben oder Tod eines entführten Kindes verantwortlich ist, lässt sich’s bekanntlich trefflich fabulieren – vor allem dann, wenn man im Nachhinein weiß, dass das Kind ohnehin schon tot war. Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes garantiert nicht nur die Achtung, sondern auch den Schutz der Menschenwürde. Wenn aber beides nicht möglich ist, nämlich die Menschenwürde eines Verbrechers zu achten und die mindestens gleichrangige

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