Um Leben Und Tod
und dass er vor seinem Abflug den Aufenthaltsort des entführten Kindes mitteilen würde. Vielleicht besaà er einen gefälschten Ausweis und hatte ein Zielland ausgewählt, von dem er glaubte, dieses würde ihn nicht an die Bundesrepublik ausliefern. Deshalb wurden alle Vorkehrungen getroffen, eine unkontrollierte Flucht zu verhindern und â notfalls im letzten Augenblick â zuzugreifen. Aber Gäfgen lieà keine Fluchtpläne erkennen, auf seinen Namen war am Frankfurter Flughafen kein Flug gebucht. Er fuhr einfach nur zu seiner Wohnung.
Dort warteten Beamte in Zivil in ihren Autos. Gegen 2.00 Uhr morgens kam Gäfgen an, öffnete die Tür des Mietshauses und ging in seine Wohnung. Da er nicht geflohen war, musste Jakob so schnell wie möglich gefunden werden. Gäfgen würde das Risiko, von Jakob erkannt worden zu sein und ihn trotzdem freizulassen, nicht eingehen.
Alle bekannten Telefone Magnus Gäfgens wurden zu diesem Zeitpunkt schon abgehört, er konnte keinen Schritt machen, ohne beobachtet zu werden. Ob er wollte oder nicht, er würde die Polizei zu Jakobs Versteck führen.
Es bestand die groÃe Gefahr, dass Gäfgen Jakob jetzt töten könnte, um seinen einzigen Tatzeugen zu eliminieren. Das Geld hatte er. Deshalb hatte Vizepräsident Daschner den sofortigen Zugriff angeordnet, sollte Gäfgen einen Ort aufsuchen, der als Versteck für das entführte Kind in Frage kam.
Oder Gäfgen hatte Jakob so versteckt, dass sich dieser zum einen nicht selbst befreien und zum anderen nicht gefunden werden konnte. Das Problem der Beseitigung des einzigen Belastungszeugen würde sich dann von selbst erledigen.
Er habe also zu einem Zeitpunkt, zu dem er die Entführung von Jakob von Metzler zumindest einschlieà lich der Möglichkeit seines Todes geplant habe, dessen Schwester gebeten, ihm bei der Auswahl von Tiffanyschmuck für seine Freundin behilflich zu sein?
»Was meinen Sie damit, dass ich besser die Nähe von ihr hätte meiden sollen?«
Nach Wiederholung des Vorhalts:
»Ich verstehe immer noch nicht, was Sie meinen.«
Nochmalige Wiederholung des Vorhalts.
»Sie meinen gefühlsmäÃig gegenüber der Schwester?«
Er wisse es nicht, wie es in unserer Fachsprache heiÃe, aber er nenne es seine Zwiespältigkeit. Er sei ja damals seiner Umgebung gegenüber immer noch der »nette Maggi« gewesen und habe sich auch so gefühlt. Deshalb habe er auch keine Probleme gehabt, mit Elena normal umzugehen.
So habe er sich auch gerade bewusst vorgenommen gehabt, Elenas Nähe nicht zu meiden, um nicht dadurch später Verdacht auf sich zu lenken.
(aus dem Vortrag des psychiatrischen Gutachters von Magnus Gäfgen)
Ich kam am 30. September morgens um 9.00 Uhr in mein Büro. Sofort wurde ich informiert, dass Magnus Gäfgen in diesem Moment mit einem jungen Mädchen seine Wohnung verlassen hätte. Unsere Nachforschungen ergaben, dass es sich um Marianne K. [Name geändert] handelte, eine 16-jährige Schülerin, die seit ein paar Monaten mit Gäfgen liiert war. Unsere Leute hefteten sich an ihre Fersen, im ständigen Wechsel verfolgten sie das Paar.
Was wir übermittelt bekamen, lieà uns die Haare zu Berge stehen. Sie schlenderten Hand in Hand in der Innenstadt umher, kauften ein, gingen Kaffee trinken, zahlten in verschiedenen Banken Geld ein, buchten eine Reise nach Fuerteventura für die zweite Woche der Herbstferien. Daraufhin fuhren sie nach Aschaffenburg-Goldbach zu einem bekannten Mercedeshändler und machten eine Probefahrt mit einem C-Klasse-Mercedes, den Gäfgen anschlieÃend bestellte und mit 700 Euro aus dem Lösegeld anzahlte.
Noch von dort orderte er telefonisch bei einem Autoverleih am Frankfurter Flughafen einen Mietwagen derselben Klasse, den sie am Nachmittag abholen wollten. Sie fuhren dann nach Dietzenbach, hielten an einer Eisdiele. AnschlieÃend ging es zurück ins Frankfurter Zentrum. Auf der Frankfurter Zeil besuchten sie einen Friseur.
Sie machten keinerlei Anstalten, Jakob zu versorgen oder ihn freizulassen. Jakobs Familie litt grausam unter der Ungewissheit und dem bedrückenden Warten, wir hatten nicht den geringsten Trost zu spenden oder einen Ermittlungsfortschritt bekanntzugeben â und die beiden vergnügten sich beim Einkaufen. Wir waren am Verzweifeln.
Nach kriminalistischer Einschätzung konnte Gäfgens Verhalten ein Zeichen
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