Um Leben Und Tod
mich anrufen, um die Tasche abzuholen. Dann sollte ich weitere 30 000 Euro erhalten.«
»Was weiÃt du von dem Jungen, wie geht es ihm?«
»Welcher Junge, ich verstehe nicht, was Sie meinen?«
»Welche Rolle spielt deine Freundin?«
»Sie weià nichts darüber, dass ich das Geld abgeholt habe. Ich hatte ihr erzählt, dass ich einen alten Freund, Ernst von H. [Name geändert], besuchen wollte. Stattdessen bin ich nach Neu-Isenburg gefahren, habe mein Auto abgestellt und die StraÃenbahn zum Abholort genommen. Mit der Tasche bin ich dann zurück zu meinem Auto und dann nach Hause.«
»Was genau war in der Tasche?«, fragte der Polizist.
»Da war Geld, viel Geld. Ich habe einen Teil herausgenommen, der Rest liegt in zwei Geldkassetten bei mir in der Wohnung.«
»Wie viel Geld war es genau?«
»Ich weià nicht, es war so viel, ich habe es nicht gezählt.«
»Du kannst mir nicht erzählen, dass ein fremder Mann dir so eine groÃe Geldsumme anvertraut und dir am nächsten Tag eine vergleichsweise geringe Summe im Tausch dafür aushändigen wird, erzähl uns keinen ScheiÃ!«
»Das ist die Wahrheit, das ist so.« Gäfgen schloss die Augen, atmete kurz und hastig.
»Was ist los, was hast du?«
»Mein Kreislauf, Zucker, ich brauche Zucker.«
»Bist du krank?« Zwei Polizisten legten ihn auf den Boden in Seitenlage.
»Nein, nein, ich brauche nur Zucker.«
Die Beteiligung Gäfgens an der Entführung stand für uns fest. Wir sahen keine andere Möglichkeit mehr. Nur er konnte uns weiterhelfen, Jakob zu finden. Er musste verhört werden. Der Festnahmeschock könnte ihn zum Sprechen bringen.
Drei Tage und sechs Stunden befand sich Jakob von Metzler schon in Gefangenschaft, mehr als vier Tage konnte er ohne Essen und Trinken nicht überleben. Bei jedem unserer Worte, bei jeder Handlung rückte der unbarmherzige Uhrzeiger vor. Er wurde zu unserem quälenden Begleiter der folgenden Stunden.
Angespannt warteten wir im Polizeipräsidium auf den mutmaÃlichen Entführer.
Aufgrund seiner groÃen Erfahrung hatte ich schon Kriminalhauptkommissar Bernd Mohn ausgesucht, um ihn zu vernehmen. Ich selbst musste die Festnahme aller Kontaktpersonen, Durchsuchungen bei diesen Personen und die Durchsuchung möglicher Verwahrungsorte vorbereiten und koordinieren.
Das Telefon klingelte.
Unser Kollege am Festnahmeort schilderte uns die Geschichte vom Unbekannten, der Gäfgen angeblich für eine groÃe Geldsumme beauftragt hätte, eine Tasche an der Haltestelle im Stadtwald abzuholen. Es folgte die Nachricht, dass Gäfgen den Ohnmächtigen nach Ansicht der beteiligten Polizisten spielte.
Polizeibeamte hatten Gäfgen mittlerweile in die Seitenlage gebracht und ärztliche Hilfe angefordert. Ein Kollege versetzte ihm zwei leichte Klapse auf die Wangen, wodurch er zwar wieder ansprechbar wurde; aber regelmäÃig schloss er erneut die Augen, als ob er bewusstlos werden würde. Gäfgen reagierte jedoch auf jedes Ansprechen sofort und öffnete dann auch die Augen.
Während des Telefongespräches kamen eine Ãrztin und ein Sanitäter der Flughafenklinik an, um Gäfgen zu untersuchen.
Ich legte bedrückt auf. Wieder verloren wir Zeit, Jakobs Zeit.
Lange konnte ich nicht darüber nachdenken, da die ersten festgenommenen Bekannten Gäfgens eintrafen, die verhört werden mussten.
Zwei Kollegen stellten unterdessen noch in der Tiefgarage Magnus Gäfgens Oberbekleidung sicher, wie auch sein Handy und seinen Geldbeutel. AnschlieÃend zogen sie ihm einen weiÃen sogenannten Einweg-Overall an.
Zusammen mit dem Sanitäter und der Ãrztin wurde Gäfgen in die Flughafenklinik gefahren und dort vorsichtshalber wegen Kreislaufproblemen behandelt, obwohl auch der Klinikarzt keine akute Erkrankung feststellen konnte.
Währenddessen wartete Marianne K. in einer zwei mal zwei Meter kleinen Einzelzelle im Präsidium. Ihre Kleidung war ebenfalls schon am Parkplatz ausgewechselt worden, um eventuell vorhandene Spuren nicht zu vernichten. Sie wurde später zur Analyse und Spurensicherung weitergeleitet. Bis zu diesem Zeitpunkt behauptete Marianne K., nicht zu wissen, um was es ginge, und fragte, von welchem Jungen die Rede sei und was denn passiert sei.
Wir glaubten ihr nicht.
Hans-Joachim Wölfel spazierte durch den hinter der Villa gelegenen Park, wie er es in der
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