Um Leben Und Tod
seines Kinderlebens in der Hand. Der Verdacht der psychologischen Beratergruppe, dass Jakob seine Entführer kannte, wurde dadurch bestätigt. Jakob wäre nie mit einem Fremden mitgegangen.
Friedrich und Sylvia von Metzler waren in Abwägung einer positiven psychischen Reifung bemüht, ihre Kinder Normalität leben zu lassen. Sie durften die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, um mit ihren Klassenkameraden zusammen sein zu können. Ihr Haus stand den Freunden ihrer Kinder offen.
26 Stunden waren vergangen, seit Jakob verschwunden war, noch 36,5 Stunden fehlten bis zur Geldübergabe. Der Erpresserbrief gab Hoffnung, dass Jakob noch lebte, seine Freilassung nach der Geldübergabe war versprochen.
Wir hatten sonst keine Spur, keine Anhaltspunkte, die Ermittlungen kamen zum Stillstand. Die Fotos des Jungen hingen einsam neben der Kopie des Erpresserbriefes an der Pinnwand, in meinem Computer waren die Personagramme von allen der Familie bekannten Personen gespeichert.
Hans-Joachim Wölfel durchsuchte in der Zwischenzeit Jakobs Zimmer und stellte DNA-Material sicher. Da wir nicht an die Ãffentlichkeit gehen durften, um das Leben Jakobs nicht zu gefährden, konnten wir auch keine Befragungen durchführen. Für alle Fälle war jedoch eine Pressemitteilung ausgearbeitet worden.
Die Lösegeldpräparation war langwierig, aber der späte Geldübergabetermin lieà unseren Leuten genügend Zeit. Ansonsten blieb uns nichts anderes übrig, als die Geldübergabe bestens vorzubereiten, der oder die Geldabholer durften keinen Moment lang aus den Augen verloren werden. Es war die einzige Chance, Jakobs Aufenthaltsort herauszufinden.
Unser Leitsatz hieà auch in diesem Fall »Tarnung vor Wirkung« â lieber die Geldabholer entkommen zu lassen, als jemals das Leben des Jungen aufs Spiel zu setzen.
Wir beschlossen, dass sich im Umkreis des Geldübergabeortes Kollegen des SEK, des Spezialeinsatzkommandos, in die Erde eingraben sollten und somit im Notfall eingreifen konnten. Das MEK, das Mobile Einsatzkommando, stellte die Männer, die in Büschen versteckt und in Tarnkleidung spiralförmig um den Ort aufgestellt werden sollten, damit jeder Fluchtweg abgedeckt wäre. Der Begleiter Friedrich von Metzlers wurde ausgewählt und auf seine Aufgabe vorbereitet.
Auf allen Parkplätzen rund um den Stadtwald sollten unsere fiktiven Liebespaare ihr Spiel treiben. Jede AusfallstraÃe wurde überwacht. Ein Entkommen war fast unmöglich.
Es dämmerte. Es war einer dieser selten schönen Herbsttage gewesen. Sie hatte ihn keinen Moment genieÃen können, war aber dem Zufall dankbar.
Sollte Jakob in einem Versteck im Freien festgehalten werden, würde die Wärme seine Ãberlebenschancen erhöhen. Sylvia von Metzler hatte sich jede mögliche Information über Entführungen besorgt, und sie wusste nun, dass die Angst, die Jakob ausstehen musste, seinen Körper extrem stressen und seine Abwehrkräfte schwächen würde.
Ihr Blick streifte das Telefon. Nichts. Wenn doch endlich der erlösende Anruf kommen würde. »Hier ist die Polizei, wir haben Jakob gefunden, ihm geht es gut.« Oder wenn wenigstens die Entführer anrufen, ein Lebenszeichen von Jakob geben würden, nur einen Augenblick seine Stimme hören!
Nach dem Gespräch mit Hans-Joachim Wölfel wusste sie nicht mehr, wem sie trauen sollte. Es war furchtbar zu denken, dass eine Person, die sie kennen könnte, die vielleicht hier in ihrem Haus zu Gast gewesen war, ihrem Kind so groÃen Schaden zufügte. Aus Geldgier. Aus Rache? Wer könnte es sein?
Ob sie Jakob zu essen und zu trinken brachten? Ob er die Möglichkeit hatte, eine Toilette zu benutzen, oder musste er seinen Bedürfnissen in einer Kiste unter der Erde nachgehen? Hoffentlich würde die Polizei ihren Jakob bald finden. Die Chance, dieses Trauma ohne enormen psychischen Schaden zu überstehen, wuchs mit der menschenwürdigen Behandlung durch die Täter. Sie hoffte inständig, dass die Entführer dieses Wissen und Verständnis hatten. Hoffentlich gaben sie Jakob genügend Decken für die Nacht. Der Mensch erfriert so schnell, und der wolkenlose Himmel verhieà eine kalte Nacht.
»Nichts wird mehr sein, wie es vorher war«, so hatte Hans-Joachim Wölfel gesagt, »darauf müssen Sie sich vorbereiten! Ihr Sohn wird so voller Angst sein, dass Sie viel miteinander
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