Um Leben Und Tod
haben, dass Gäfgen seinen Widerstand aufgab.«
Das Gericht übersah, dass Gäfgen von der Einbindung eines Polizeiarztes erstmals am 15. Januar 2003 Kenntnis erlangt hatte. Und dieser Arzt war kein Instrument der Bedrohung, sondern hatte den eindeutigen Auftrag, die »Aufsicht« zugunsten des Kindesmörders Gäfgen auszuüben und gesundheitliche Beeinträchtigungen für den Fall einer Anwendung unmittelbaren Zwanges auszuschlieÃen.
Die Befindlichkeiten der Staatsanwaltschaft?
Die Strafkammer monierte, dass der Polizeivizepräsident »die Einholung eines Rechtsrates bei der Staatsanwaltschaft nicht vorgenommen« habe, trotz der Erkenntnis, »dass auch strafprozessuale, beweisrechtliche Belange und nicht nur Fragen der Gefahrenabwehr tangiert waren«. Dazu ist anzumerken:
Die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei vollzieht sich im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeit für Strafverfolgung und Gefahrenabwehr. Nach der bundesweit für Entführungen geltenden Polizeidienstvorschrift ist die Gefahrenabwehr Aufgabe der Polizei. In diesem Bereich besteht kein Raum für Anordnungen der Staatsanwaltschaft. Bei Lagen, in denen Staatsanwaltschaft und Polizei Entscheidungsträger sind, wie im Entführungsfall Jakob von Metzler, entscheidet â wenn der Entführte noch nicht frei ist â unter Berücksichtigung der Güter- und Pflichtenabwägung die für die Gefahrenabwehr zuständige Polizei. Sie ist an erster Stelle verpflichtet, das Leben des Entführten zu schützen und ihn zu befreien (Gefahrenabwehr); erst danach wird die Strafverfolgung erwähnt. Und schlieÃlich: Wenn die Staatsanwaltschaft den festgenommenen Kindesentführer als »ihren« Gefangenen betrachtet, muss sie auch dafür sorgen, dass ein sach- und fachkundiger Vertreter dieser Behörde ständig erreichbar ist.
BZ: Wurde über das Geschehene geredet?
von Metzler: Nein, wir haben gesagt, wir reden nicht darüber. Wissen Sie, vielen Menschen passiert schlimmes Leid, da sind wir auch keine Ausnahme. Man muss es tragen. Ich habe inzwischen viele Eltern getroffen, die ein Kind verloren haben. Man darf sich da selbst nicht zu wichtig nehmen.
(aus: »Charakter, darum geht es«. Interview von Thomas Leinkauf und Joachim Arntz mit Friedrich von Metzler, Berliner Zeitung , 18.12.2004)
Am Tag der Urteilsverkündung, dem 20. Dezember 2004, erklärte der damalige Innenminister Bouffier gegenüber den Medien, er werde sich »in Kürze« mit dem Frankfurter Polizeivizepräsidenten und mir zusammensetzen, um zu besprechen, »an welchen Stellen sie angemessen eingesetzt werden können«. Für die Beamten sei er »froh«, dass das Gerichtsverfahren nunmehr abgeschlossen sei, es sei für beide eine groÃe Belastung gewesen. Das beamtenrechtliche Verfahren werde jetzt ebenfalls »zügig« zum Abschluss gebracht werden. Zum Urteil schwieg der Minister, der an erster Stelle nicht nur für die Sicherheit der Bürger in Hessen, sondern auch für deren Menschenrechte verantwortlich war.
»Wolfgang Daschner und Ortwin Ennigkeit sind die moralischen Sieger in diesem Verfahren. Sie können jeden Morgen aufrechten Hauptes in den Spiegel schauen, sie können der Familie von Metzler ohne schlechtes Gewissen begegnen. Die beiden Kollegen genieÃen nach wie vor unsere gröÃte Hochachtung, weil sie höchst ehrenhaft einzig und allein das Leben des entführten Kindes retten wollten und weil sie ohne Umschweife von Anfang an die Verantwortung für ihr Tun übernommen haben«, schrieb Heini Schmitt, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft im DBB in einer Pressemitteilung vom 20. Dezember 2004. Und der Sprecher des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Lothar Herrmann, äuÃerte die Hoffnung, dass Daschner bald wieder sein Amt als Vizepräsident der Frankfurter Polizei übernehmen werde: »Darüber würden sich ganz sicher alle Frankfurter Polizisten freuen, denn Wolfgang Daschner war und ist eine hochqualifizierte Führungspersönlichkeit erster Klasse.« Und die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete am 5. Januar 2005 über einen »offenbar groÃen Rückhalt« im Frankfurter Polizeipräsidium: »Das traditionelle Weihnachtssingen des Polizeichors am Tag vor Heiligabend wurde jedenfalls zu einer Demonstration der Solidarität mit Daschner. Als Polizeipräsident Harald
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