Um Leben Und Tod
was auch ihre entsprechende Behandlung rechtfertigt.« (Schönke/Schröder, Vorbem. Zu §§ 32 ff. StGB, Rdnr. 116)
Diese Auslegung steht in Ãbereinstimmung mit Art. 31 Abs. 1d des Römischen Statuts des Internationalen Staatsgerichtshofes vom 17. Juli 1998: »Neben anderen in diesem Statut vorgesehenen Gründen für den Ausschluà der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist strafrechtlich nicht verantwortlich, wer zur Zeit des fraglichen Verhaltens ⦠wegen einer ihm selbst oder einem anderen unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben oder einer dauernden oder unmittelbar drohenden Gefahr schweren körperlichen Schadens zu einem Verhalten genötigt ist, das angeblich den Tatbestand eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes unterliegenden Verbrechens erfüllt, und in notwendiger und angemessener Weise handelt, um diese Gefahr abzuwenden, sofern er nicht gröÃeren Schaden zuzufügen beabsichtigt, als den, den er abzuwenden trachtet.«
Durch die Androhung unmittelbaren Zwanges wäre Gäfgen mit Sicherheit kein gröÃerer Schaden zugefügt worden, als er ihn Jakob zugefügt hatte, indem er ihn verdursten lassen wollte, wovon wir ausgegangen sind.
Welche Rolle spielt Artikel 104 des Grundgesetzes?
Der »fundamentale Satz« der Menschenwürde aus Artikel 1 findet sich auch in Artikel 104 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes wieder, »wonach festgehaltene Personen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden dürfen«. Keine Person dürfe durch die staatliche Gewalt »zum Objekt, zu einem Ausbund von Angst vor Schmerzen gemacht werden«, so schrieben unsere Frankfurter Richter.
Eine körperliche »Misshandlung« ist nach der in der ständigen Rechtsprechung und Literatur verwendeten Formel ein ȟbles, unangemessenes Behandeln, das entweder das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt«. Mit anderen Worten ein »rohes, das heiÃt, besonders gefühlloses und erhebliches Misshandeln« (BGHSt 25, 277).
Was aber ist ein »übles, unangemessenes Behandeln«? Wenn ein Betrunkener im Polizeigewahrsam randaliert, darf er mit unmittelbarem Zwang, also mit der Einwirkung körperlicher Gewalt, ruhiggestellt werden. Wenn ein Strafgefangener einen Zellengenossen quält und foltert, darf er zwangsweise an der Fortsetzung und Vollendung dieser Taten gehindert werden. Und wenn ein Häftling in den Hungerstreik tritt, ist es nicht nur zulässig, sondern Verpflichtung des Staates, ihn unter Zwangsanwendung künstlich zu ernähren.
Es gab und gibt keine Vorschrift, die dem erpresserischen Entführer eines Kindes erlaubt, sein Opfer zu ermorden, um den einzigen Zeugen seiner Tat zu beseitigen.
Der renommierte Mainzer Professor für Strafrecht und Strafverfahrensrecht, Prof. Dr. Volker Erb, schrieb dazu: »Bei der Misshandlung eines Entführers mit dem Ziel, seine Macht über das Schicksal des Opfers zu brechen, geht es ⦠um den erforderlichen Widerstand gegen das Unrecht. Wer diesen Widerstand mit strafrechtlichen Mitteln unterbindet, stellt zugleich die ungestörte Vollendung eines Mordes unter den Schutz der Rechtsordnung.«
Wie lässt sich der Tatbestand der Nötigung begründen?
Nachdem die 27. GroÃe Strafkammer alle zutreffenden Rechtfertigungsgründe mit einem Federstrich beiseitegeräumt hatte, musste für unsere Verurteilung nur noch der Straftatbestand der Nötigung nach § 240 StGB begründet werden.
Die Androhung von Schmerzen zu dem Zweck, eine Information zu erlangen, sei »verwerflich« gewesen, führten die Richter aus. Die innere Verknüpfung von Nötigungsmittel und Nötigungszweck (Zweck-Mittel-Relation) stelle auf einen erhöhten Grad sittlicher Missbilligung und sozialwidrigen Verhaltens ab.
In diesem Wertbegriff seien die Gebote des Grundgesetzes und damit auch »die unumstöÃliche Wertigkeit des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes« enthalten: »Ein Verstoà gegen die Achtung der Menschenwürde ist daher auch als verwerflich anzusehen, wenn dieser â subjektiv â zu dem Zweck erfolgt ist, das Leben eines Kindes zu retten.«
Nach Auffassung der Richter wäre es also nicht »verwerflich« gewesen, den Mord an Jakob von Metzler geschehen zu lassen!
Wir haben also nach Ansicht des Gerichts eine Straftat begangen, weil wir einen Verbrecher
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