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Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Titel: Um Mitternacht am schwarzen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Die 13jährigen kann ich besser
beurteilen.“
    „Vielleicht gibt’s eine ganz harmlose
Erklärung. Wir müssen zunächst auf unserer Linie bleiben. Das heißt: Abwarten
bis etwa 20 Uhr. Wenn Tanja bis dahin nicht zurückkommt, besuchen wir die
Eckert.“
    „Und setzen sie unter Druck, ja?
Springen hart mit ihr um, ja? Denn in diesem Fall heiligt der Zweck...“
    „Unfug!“ wurde er von Tim unterbrochen.
„Wir sind höflich und ölglatt und spielen unseren Trumpf vorsichtig aus.“
    „Welchen Trumpf?“
    „Daß wir von dieser Baustelle wissen!“
    „Alles klar. Wir stellen ihr sozusagen
eine Falle.“
    „Genau das.“
    Sie setzten ihren Weg fort.
    Die Sonne war gesunken. Außerhalb der
Stadt lag wattiger Dunst über den Feldern. Der Wind war kühler geworden.
    Als sie das Internatsgelände
erreichten, fuhren sie nicht durchs Tor, sondern versteckten ihre Tretmühlen
hinter einem Gebüsch an der Mauer. Selbstverständlich auf der Außenseite.
    Klößchen stand Schmiere, während Tim
das besorgte. Zeugen waren nicht gefragt. Deshalb mußten sie aufpassen. Dann
und wann röhrte ein Wagen über die Zubringer-Straße heran: Pauker. Oder
Schüler, die über 18 waren und den Führerschein hatten.
    Die Zeit reichte noch zum Händewaschen.
    Als sie aus dem Waschsaal zum ADLERNEST
stürmten, Hefen sie Dr. Elwenbroich über den Weg.
    „Wie schön, euch zu sehen“, meinte er. „Willi,
du siehst ja noch runder aus. Hast sicherlich das ganze Grillfleisch allein
verputzt.“
    Klößchen seufzte. „Auch Sie, Herr
Studienrat, sind Opfer des Vorurteils. Weil bekannt ist, daß ich kein Talent
zum Hungerkünstler habe, fällt der Verdacht gleich auf mich, wenn irgendwo drei
Torten fehlen oder ein Spanferkel oder eine Monatspackung Schokoladentaler. Ich
bin nicht runder als vorhin, denn das Grillfest ist ins Wasser gefallen.“
    „Ich kann mir vorstellen“, grinste
Elwe, „wie dich das getroffen hat.“
    „Solche Schicksalsschläge bin ich
gewöhnt.“
    „Jedenfalls wart ihr beide nicht in der
Arbeitsstunde.“
    „Müssen wir auch nicht.“ Tim lächelte
wölfisch. „Nicht heute. Heute ist Freitag.“
    Elwe hob die Achseln. „An die neue
Regelung kann ich mich nicht gewöhnen. Gut finde ich die nicht.“
    Damit schob er ab in den Speisesaal.
    Sicherlich hatte er den ganzen
Nachmittag im Bio-Zimmer zugebracht. Jetzt hatte er Hunger, denn allein von dem
gefährlichen Staub dort war er nicht satt geworden.
    Was die neue Regelung für die
Freitags-Arbeitsstunde betraf — die war von der SMV ( Schüler-Mitverwaltung ),
zu der auch Tim gehörte, durchgesetzt worden.
    Die Regelung entband die Schüler von
der Pflicht, an der Arbeitsstunde teilzunehmen. Das verlängerte das Wochenende.
Aber der Stoff mußte freiwillig nachgeholt werden. Wann — das stand im Belieben
jedes einzelnen. Das wöchentliche Pensum verringerte sich dadurch nicht.
    Der Speisesaal war nur zur Hälfte
gefüllt.
    Viele der älteren Schüler zogen es vor,
in der Stadt zu speisen, wo es ihnen besser mundete und außerdem
Bier und Wein die Speisen begleiteten. Freilich mußte dieser Spaß vom
Taschengeld bestritten werden, aber dessen Höhe entzog sich bei den 17-, 18-
und 19jährigen — so sie wohlhabende und großzügige Eltern hatten — ohnehin der
Heimleitungskontrolle. Viele Schüler verfügten über jede Menge Kohle — und die
brannte ihnen in der Tasche.
    Tim aß wenig. Seine Gedanken umkreisten
Tanja, Dietlinde Eckert und die Baustelle in der Turmacker-Straße. Er dachte in
jede Richtung, aber es kam nichts dabei raus.
    Um 19.57 Uhr stand er in der
Besenkammer — jener atembeklemmend engen Telefonzelle am Haupthausflur.
    Gabys Mutter meldete sich.
    „Guten Abend, Frau Glockner. Hier ist
Tim. Schläft meine Freundin schon? Oder kämmt sie Oskar die Schlappohren?“
    Margot Glockner lachte. „Sie hat auf
deinen Anruf gewartet. Aber ich stand gerade neben dem Apparat.“ Ihre Stimme
wurde ernst. „Ich weiß, worum es geht. Von Tanja kam kein Anruf. Gaby hat eben
bei den Leihmeiers nachgefragt. Die armen Leute geraten allmählich in Panik.
Warte, ich gebe dir Gaby.“
    Also doch! dachte er. Tanja ist verschwunden,
und die Eckert hat gelogen.
    „Tim.“
    „Ja, Pfote. Deine Mutter hat’s schon
gesagt.“
    „Leihmeiers wollen noch bis 9 Uhr
warten — bis 9 Uhr abends — und sich dann an meinen Papi wenden.“ Sie
schluckte. „Aber daraus kann nichts werden. Überraschenderweise mußte er vorhin
verreisen. Dienstlich, im Auftrag des

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