Um Mitternacht mit dir im Bett
kleinen Picknickkorbs, den sie am Arm trug. Dabei hatte sie keineswegs die Absicht, hier zu stehlen. Ganz im Gegenteil: Sie wollte das Brillanthalsband, das in ihrem Korb lag, in den Safe im zweiten Stock der Wolff-Villa zurücklegen, wo es rechtmäßig hingehörte. Und das musste ihr gelingen, bevor überhaupt jemand merkte, dass es fehlte und man ihren Großvater Bertram Hewitt des Diebstahls anklagen konnte. Zum zweiten Mal.
Tatsache war, dass ihr Großvater sich schuldig gemacht hatte, obgleich er sich selbst im Recht wähnte. Vor über fünfzig Jahren hatten Bertram Hewitt und Seamus Wolff zusammen ein Geschäft gegründet, das Haushaltsauflösungen vornahm. Es geschah nicht selten, dass sich unter dem meist wertlosen Krempel auch kostbare Stücke befanden, die sie dann mit hohem Gewinn veräußerten. Nach zwei erfolgreichen Jahren hatte Seamus ihrem Großvater jedoch unerwartet die Partnerschaft aufgekündigt und verlangt, den verbliebenen Rest unter sich aufzuteilen.
Bis zum heutigen Tag behauptete Bertram, Seamus habe von dem kostbaren Halsband in dem alten Koffer gewusst, den er für sich beanspruchte. Inzwischen war er Multimillionär geworden, denn er hatte das Halsband wiederholt beliehen und dieses Geld als Startkapital für verschiedene äußerst lukrative Unternehmungen verwendet. Bertram indessen lebte mehr schlecht als recht von einer Pfandleihe.
Also hatte er das Schmuckstück kürzlich von Seamus zurückgeholt, und zwar in der löblichen Absicht, Sarah zu ihrem Erbe zu verhelfen. Allerdings würde die Polizei das anders sehen. Wie schon einmal vor achtzehn Jahren, als Bertram das Band zum ersten Mal entwendete, um seine todkranke Frau ärztlich behandeln zu lassen.
Im Gefängnis war er nur noch verbitterter geworden. Er hatte sich geschworen, das Halsband wieder an sich zu bringen. Und vor zwei Wochen dann war es ihm gelungen, indem er sich unter einen Trupp Anstreicher schmuggelte, die das Haus renovierten, während die Wolffs Weihnachten auf Jamaika verbrachten. Zum Glück hatten sie das Fehlen des Halsbandes noch nicht bemerkt, sonst hätte die Polizei einmal mehr vor Hewitts Tür gestanden.
“Hast du etwas Gutes für mich in deinem Korb?”, hörte sie plötzlich eine tiefe Stimme hinter sich.
Sie fuhr herum und sah sich einem mannshohen Wolf gegenüber. Hemd und Hose seines Kostüms bestanden aus dichtem schwarzen Fell.
“Nichts für Wölfe”, entgegnete sie schnippisch. “Versuch es lieber am Büfett.” Seine Stimme hatte sie zwar nicht erkannt, jedoch die grauen blitzenden Augen hinter der schwarzen Seidenmaske. Sie gehörten Michael Wolff, dem skrupellosen Geschäftsmann und stadtbekannten Playboy. Seamus Wolffs Enkel und Erbfeind der Hewitts.
Ob er wusste, wer sie war? Sie arbeitete zwar bei der Consolidated Bank, die in seinem Geschäftsgebäude untergebracht war, hatte ihn jedoch noch nie bedient. Außerdem verhüllte ihr Kostüm sie von Kopf bis Fuß. Aber er hatte sie auf den Korb angesprochen. Auf einmal lastete er ihr schwer an ihrem Arm, und sie war fast sicher, dass er wusste, was sie darin verbarg.
Sarah warf einen sehnsüchtigen Blick zur Tür. Ob sie einfach weglaufen sollte? Sie war ungefähr einen Meter siebzig groß und eine gute Läuferin, doch Michael überragte sie um mindestens zwanzig Zentimeter und besaß einen kräftigen, durchtrainierten Körper. Das wusste sie genau, denn sie hatte ihm oft nachgeschaut, wenn er den Schalterraum auf dem Weg zu seinem Privatlift durchquerte. Alle Frauen sahen ihm dann nach. Er schien sich allerdings nicht um die begehrlichen Blicke zu kümmern und hatte Sarah wohl nie wahrgenommen.
Bis jetzt. Er stand mit gespreizten Beinen da, der lange Wolfsschwanz schleifte fast am Boden. Das Kostüm saß so perfekt, als wäre es maßgeschneidert, was es vermutlich auch war. Nein, wegzulaufen wäre keine gute Idee. Er würde sie einholen, bevor sie die Tür erreicht hätte.
Er setzte ein teuflisches Grinsen auf und entblößte seine makellosen weißen Zähne. “Dieser Wald hier ist gefährlich für so appetitliche Happen wie dich. Hast du dich auf dem Weg zur Großmutter verlaufen, mein Kind?”
Sarah atmete tief durch. Zum Glück hatte er sie nicht erkannt. Er spielte nur den großen bösen Wolf, und sie sollte lieber mitspielen, damit er nicht misstrauisch wurde. “Ich wollte hier nur ein wenig verweilen, lieber Wolf”, erwiderte sie gespielt schüchtern, hielt aber seinem intensiven Blick stand. “Obwohl der Wald heute
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