Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
blicken, erwecken bei diesen ganz selbstverständlich das Gefühl, kontrolliert zu werden. Sie stören auch nicht nur deren Konzentration, sie verletzen auch das persönliche Recht des Einzelnen auf Distanz.
Aber auch zwischen hierarchisch Gleichgestellten kann es am Arbeitsplatz zu Konflikten kommen, wenn das Bedürfnis nach Distanz nicht von jedem individuell gesteuert werden kann. Die Arbeit am Fließband beispielsweise, bei der die Beschäftigten oft sehr nah nebeneinander stehen, birgt hohes Konfliktpotenzial. Wenn hier die Arbeit nicht regelmäßig durch kurze Pausen unterbrochen wird, entsteht durch die auch hier erzwungene Nähe ein innerer Stau, der unweigerlich zu Aggressionen führen kann oder auch zu körperlichen Symptomen wie Magengeschwüren und Nervenkrankheiten. In jedem Fall würde sich die Effektivität der Arbeit deutlich reduzieren.
Kulturelle Unterschiede
Solche gesellschaftliche Umgangsformen finden zwischen den Kulturen unterschiedlichste Ausprägungen. Dafür sollte die grundsätzliche Frage nach dem Empfinden von Nähe und Distanz geklärt werden:
Gehen wir zunächst davon aus, dass unser Körper einen Raum darstellt. Wir besitzen eine Außenhaut und ein Innenleben. Beim Patienten setzt deshalb jede Beschädigung der Außenhaut und damit der Eingriff in das Körperinnere seine Zustimmung voraus. Das gilt vom Ansetzen einer Spritze bis zur Operation. Nachdem wir nicht nur aus Fleisch und Knochen bestehen, empfinden wir es als unser Recht, auch unsere Gedanken
und Gefühle zu schützen. Aus diesem Grunde lassen wir keineswegs jedermann an unsere intimsten Gedanken oder Wünsche herankommen. Also teilen wir unsere persönlichsten Empfindungen und Fantasien nur mit den uns vertrautesten Menschen.
Bleiben wir im Bereich der physischen Nähe und der Distanz von Körpern, müssen uns auch die Abstände interessieren, die dem sozialen Kodex unterschiedlicher Kulturen entsprechen. In Westeuropa gilt die Armlänge als Schutzdistanz. Wer die Grenze, die mein ausgestreckter Arm berühren könnte, überschreitet, betritt mein persönliches Territorium. Außerhalb meiner Armlänge ist sozialer Raum, und natürlich hat das mit einer Schutzdistanz zu tun: Außerhalb meiner Armlänge kann der »Feind« mich nicht angreifen und verletzen.
In anderen Kulturen, in arabischen Regionen oder im Mittelmeerraum, sind die Distanzen eher verkürzt, weil körperliche Berührungen, beispielsweise Umarmungen, auch im sozialen Umgang zu den legitimierten Formen dieser Gesellschaften zählen. Grundsätzlich spielt auch die Körperhaltung selbst eine Rolle für die Art einer Begegnung zwischen zwei Menschen. Auch im deutschen Kulturkreis überwiegt die volle Zuwendung der Körper, Mitte zu Mitte. Wenn die Arme nicht vor der Brust verschränkt werden, wird auch die weiche Bauchfläche dargeboten: Vertrauen gegen Vertrauen. Die Stimmung verändert sich aber schlagartig, wenn die Distanz weiter verkürzt wird und der Blick den anderen zu fixieren beginnt, wobei sich die Muskulatur automatisch verhärtet. Hier wird Aggressivität signalisiert: Ich rücke dir auf den Leib, und wenn du dich nicht wehrst, wenn du deine Rechte nicht verteidigst, gewinne ich ohne Weiteres die Dominanz über dich, und du bist der Schwächere!
Die im deutschsprachigen Raum bevorzugte Haltung ist die frontale Begrüßung, Körpermitte zu Körpermitte. Die akzeptierte Distanz macht etwa eine Armlänge aus. Das Überschreiten dieser Distanz zeigt Dominanz und den Wunsch, herauszufinden, wie weit man gehen könnte. Das aber zwingt den anderen zu Anspannung oder nachzugeben.
Eine Begrüßung, wie wir sie von der angelsächsischen Welt lernen können: Wir stehen einander nicht zentral, Körpermitte zu Körpermitte, gegenüber, unsere Körperstellung bildet vielmehr einen offenen Winkel. Diese Haltung vermeidet die Konfrontation. Der Mittelkörper bleibt frei.
Begrüßung unter Männern. Nähe und Distanz sind hier sorgfältig unterschieden. Die Herzlichkeit der Umarmung zeigt sich ungeschmälert in der oberen Brustpartie der beiden, während die Distanz die unteren Körperpartien auseinander hält.
Begrüßung zwischen Mann und Frau: Die Annäherung ist von Zurückhaltung bestimmt. Der Wangenkuss bleibt eine Andeutung. Körperberührung nur mit einer Hand. Die beiden Arme in der Mitte bauen noch eine kleine Schranke.
Ihre Hand reguliert die Distanz und bestimmt, wie nahe ihr Gegenüber ihr kommen kann.
Ganz anders ist die Situation, wenn die
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