Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
demonstriert sie Desinteresse. Sein Blick zu ihr hinüber zeigt seinen Kontaktwunsch, die gespreizte Beinstellung signalisiert Selbstsicherheit und Machismo, doch die verschränkten Arme und seine ruhige Brust lassen nicht auf Tatendrang schließen.
Signale, die uns sagen sollen: »Du kommst mir zu nah!«, sind nicht schwer zu erkennen. Die Augen des Gesprächspartners weichen unserem Blick aus, oder der andere schiebt eine Barriere zwischen seinen Körper und unseren. Das kann beispielsweise eine Hand sein oder auch ein Arm. Vielleicht zieht er sich auch hinter seinen Schreibtisch zurück, oder er stellt einen Stuhl vor sich hin. Er wendet seine Körpermitte von uns ab,
beschäftigt sich unmotiviert mit dem Papierkram auf dem Tisch, sucht damit irgendeine Gelegenheit, seine Augen von uns abzuwenden. In der Öffentlichkeit, im Bus oder in der Bahn ist es ein beliebter Trick, sich seiner Zeitung zuzuwenden, wenn eine Unterhaltung unerwünscht ist. Ähnliche Wirkung erzeugt es, wenn jemand sein Bein demonstrativ in die vom Nebenmann abgewandte Richtung überschlägt, sodass er nur noch über die Schulter mit ihm sprechen könnte. Im Büroalltag empfiehlt es sich, von seinem Stuhl aufzustehen, um einen zu nah herantretenden Kollegen oder Vorgesetzen auf Distanz zu halten, ohne dabei unhöflich werden zu müssen. Selbst niedergeschlagene Augen können signalisieren, dass der andere körperlich oder verbal zu nahe gekommen ist.
Vorgesetzte müssen Mitarbeitern gegenüber eine gewisse Distanz halten oder wiederherstellen, sobald sie die Signale wahrnehmen, die die Abneigung seines Mitarbeiters erkennen lassen. Hier träfe dann das Vorbild der Stachelschweine zu, in dem sich beide Seiten in der einmal gefundenen Distanz wohlfühlen.
Es gibt aber auch Menschen, die sich geschmeichelt fühlen, wenn ihnen der Vorgesetzte so nah kommt und ihnen damit eine gewisse Vertrautheit beweist, sie also durch körperliche Nähe auszeichnet.
Manchem Mitarbeiter sind Nähe und Berührung des Vorgesetzten ein positives Erlebnis. Keine Spur von Körperspannung oder Zurückweichen ist auszumachen. Der Mitarbeiter fühlt sich geschmeichelt, er spürt keine Grenzüberschreitung des Vorgesetzten.
Ärzte lassen gelegentlich eine ähnliche, Intimität vorspiegelnde Nähe spüren, indem sie sich ungefragt auf den Bettrand des Patienten setzen und damit, bewusst oder unbewusst, das hierarchische Gefälle demonstrieren, das den Patienten vom Arzt trennt, und ihn unter dem Mantel der Fürsorge zum unmündigen Kind degradiert. Es ist auch hier der Ton, der die Musik macht: eine kindliche Sprache verraten das Muster. Diese Ärzte setzen es als selbstverständlich voraus, dass der Patient sich unter dem Patronat eines Übervaters wohlfühlt. Es kann so sein, ist es aber in vielen Fällen keineswegs. Denn ein Patient, der sich ohnehin in einer geschwächten Position befindet, will sich seine verbliebene Souveränität über Nähe und Distanz nicht unter diesem Deckmantel der Fürsorge rauben lassen. Es bleibt eine Grenzüberschreitung.
Sich ungefragt an den Bettrand der Patientin oder des Patienten zu setzen, ist eine verbreitete Unart von Ärzten und verletzt die territorialen Rechte der Patienten. Weiß der Arzt stets, ob dem Kranken eine solche Nähe gefällt? Andererseits gibt es Menschen, die sich eine gewisse Vertraulichkeit gern gefallen lassen.
Die Nähe wird akzeptiert, solange das Verhalten beider sachlich bleibt und sich auf die Arbeit konzentriert. In dem Moment, in dem der Blickkontakt von der Sache zur Person wandert, wird die Nähe zu persönlich und sie kann den Blick nicht erwidern.
Nicht mehr die Arbeit allein steht im Mittelpunkt, sondern die Personen kommen ins Spiel. Er wendet sich der Mitarbeiterin persönlich zu. Schon zieht sie sich zurück.
Die Arbeitswelt mit ihrer halb symmetrischen Anlage zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern - für beide gelten Rechte - kennt diese Grenzüberschreitungen vielfach. Vorgesetzte nehmen es sich ganz selbstverständlich heraus, jedes Büro zu betreten, ohne anzuklopfen, ganz so, als befände sich niemand darin. Sie führen womöglich Gäste durch die Räume, ohne sich überhaupt um die darin arbeitenden Angestellten zu kümmern. Solche Störungen, die zudem mit einer Miss- oder Nichtachtung der Menschen Hand in Hand gehen, erzeugen Frustration und Stress, hemmen auf jeden Fall den Energiefluss der Mitarbeiter.
Vorgesetzte, die es sich erlauben, ihren Mitarbeitern über die Schulter zu
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