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Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Titel: Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samy Molcho
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übrigen Mitarbeiter schauen ihm zu und bleiben wie aufgefädelt in einer Reihe stehen.

    Signale, wie ich sie hier für das Verhältnis zwischen einzelnen, unterschiedlichen Hierarchie-Ebenen angehörenden Personen beschrieben habe, kehren im Gruppenverhalten unverändert wieder. Stellen wir uns eine Gruppe gleichgestellter Mitarbeiter eines Unternehmens vor, die miteinander diskutieren. Die Atmosphäre ist sichtlich entspannt, die Konversation fließt leicht dahin. Kaum betritt ein höhergestellter Angestellter den Raum, fühlt sich die Gruppe auf der Stelle eingeengt. Die Reaktion fällt genauso aus wie im Einzelfall. Der Vorgesetzte wird als Eindringling empfunden, der nun allen anderen per se zu nahe getreten zu sein scheint, man verschließt sich, macht sich hart, damit »der Fremde« nicht noch weiter in die Gemeinschaft eindringen kann. Erst wenn er den Raum wieder verlässt, lockert sich die Atmosphäre wieder. Jeder Fremde würde übrigens auf diese Reaktion treffen, müsste - Hierarchie hin, Hierarchie her - erst Vertrauen gewinnen. Solange dies nicht geschehen ist, fühlt weder er sich frei noch die anderen wären es. Ein neuerlicher Austausch von Körpersignalen muss den Weg dazu ebnen.
    Fremd zu sein in neuer Umgebung ist seit jeher eine Menschheitserfahrung. Doch erst in unserer Zeit der mobilen Arbeitswelt wurde sie endgültig zum Alltag für beinahe jeden und zu einem sich ständig wiederholenden Phänomen.
    Wer fremd ist, sucht Nähe. Gleichgültig ob ein Mensch vom Land in die Stadt umzieht, aus der Kleinstadt in die Großstadt, er trifft zunächst einmal auf Anonymität. Die erste Möglichkeit, Nähe zu finden, bietet zumindest für den Alleinstehenden der Arbeitsplatz. Hier kommt es darauf an, die Grenzen der Zuständigkeit zu beachten. Der Wunsch nach persönlichem Kontakt muss zurückstehen, obwohl nicht zu übersehen ist, dass der Arbeitsplatz den einfachsten Anknüpfungspunkt für persönliche Nähe bildet. Eingeschränkt wird diese Möglichkeit durch ein ungeschriebenes Gesetz, das sagt: Die Tatsache allein, dass wir miteinander arbeiten, gibt dir noch lange nicht das Recht, mir zu nahe zu kommen!
    Der Arbeitsplatz ist schließlich auch ein öffentlicher Raum. Nichts bleibt unbeobachtet, und leicht kommen Verdächtigungen auf, die auf der Vermutung beruhen, ein Mitarbeiter werde wegen seiner persönlichen Beziehung zu einem anderen bevorzugt. Diese Atmosphäre von Beobachten und Beobachtetwerden erzeugt Stress, ganz abgesehen von den Gerüchten, dass zwei »etwas miteinander haben«. Stets ist die Folge, dass
man gewisse Kontakte gern verfolgen und sie gleichzeitig möglichst geheim halten möchte. Wenn hier einer der beiden nicht erkennt oder nicht erkennen will, wann der andere Distanz zu halten wünscht, verletzt er dessen Gefühle, und der andere zieht sich zurück. Wieder sind Blicke die wichtigsten Körpersignale: »Jetzt nicht!« Es kann ja durchaus sein, dass einer der beiden sich im Augenblick allein seiner Arbeit widmen möchte und ihn die private Annäherung des anderen lediglich momentan stört. Will der Partner dies aber nicht verstehen, fühlt sich vielmehr verletzt und verstärkt seine Annäherungsversuche, wird die Irritation eskalieren und Spannungen in der Zusammenarbeit und im privaten Verhältnis der beiden provozieren. Deswegen empfiehlt es sich, es während der Arbeit bei kleinen Zeichen von Verbundenheit zu belassen und den wesentlichen Austausch von Nähe in die Privatsphäre zu legen.
    Es ist ganz unstrittig, dass ein achtstündiger Arbeitstag Spannungen entstehen lässt, deshalb kommt es auch zu unzähligen Klagen wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Wir fühlen den Druck durch das Arbeitspensum, das uns auferlegt wird, wir spüren die Enge des Arbeitsplatzes, die Bewegungsarmut, zu der uns die Aufgabe zwingt, kurz, wir fühlen uns unwohl in unserer Haut und möchten diesem Zustand entfliehen. Der Stress sucht ein Ventil. Und als Ventil dienen eben sehr oft schlechte Scherze über Kollegen und anzügliche Bemerkungen gegenüber Frauen, die als sexuelle Belästigung ausgelegt werden können und oft auch diesen Tatbestand ganz offenbar erfüllen.

Falsch verstandene Signale
    Aber Körpersignale können auch durchaus falsch interpretiert werden. Sagen wir einmal, ich finde mich ausnehmend attraktiv, laufe wie ein Pfau durch die Räume und bilde mir ein, jeder Blick, den ich von einer weiblichen Person erhasche, sei bereits eine Liebeserklärung. Meine

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