Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
Körper, wie es in der angelsächsischen Welt üblich ist, einen offenen Winkel zueinander bilden. Der offene Winkel ergibt sich, da die Partner Schulter an Schulter zusammenstehen und der Mittelkörper jeder Konfrontation ausweicht. Man liefert sich auf diese Weise dem anderen nie ganz aus, bewahrt sich vielmehr einen Ausweg. Der Unterschied zwischen diesen Stellungen lässt auch auf die Intensität des Austausches zwischen zwei Menschen schließen. Stehen sie einander parallel gegenüber, so bezeichnet das volle Aufmerksamkeit und Nähe, stehen sie im offenen Winkel, so heißt das eher: Ich bin wohl bei dir, aber von Zeit zu Zeit werfe ich auch einen Blick auf die übrige Welt und das, was sie zu bieten hat. Gerade bei der Begrüßung, also bei der ersten Kontaktaufnahme, spiegeln sich die Unterschiede deutlich wider: In Frankreich oder Lateinamerika, wo der Wangenkuss bei der Begrüßung üblich ist, kommen sich die Partner zwar räumlich näher, beachten aber genaue Rituale der Distanz, indem sie während des Kusses ihren Unterkörper deutlich zurückhalten. Mit einer Hand auf der Schulter des anderen können sie die gewünschte Distanz jederzeit regulieren. Dabei schauen sie dem anderen keineswegs direkt in die Augen, sondern sozusagen an einem Ohr vorbei. Damit ist die Intimität des Wangenkusses wieder aufgehoben. Schulterklopfen, wie wir es unter Männern aus dem Orient oder auch südamerikanischer Herkunft regelmäßig beobachten können, betont die kumpelhafte Note der Begrüßung und vertreibt jeden Hauch von Zärtlichkeit. In all diesen unschuldigen Ritualen wird darauf geachtet, das Becken nicht an der Umarmung zu beteiligen, da damit die Distanz zur intimen Nähe markiert ist.
Begrüßung oder Abschied eines verliebten Paares: Hier ist der ganze Körper verlangt. Es passt kein Strohhalm mehr zwischen die beiden jungen Leute. Der Kontakt mit dem ganzen Körper ist nicht nur erlaubt, sondern von beiden erwünscht.
Verliebte dagegen machen es genau anders. Hier soll es der ganze Körper sein, der die Intimität der Begrüßung mitempfindet.
Körpersignale
Unser Körper sendet unablässig Signale aus. Ein Teil davon sind Einladungen zu vertrautem Kontakt, der andere das Gegenteil. Wie sieht es aus, wenn wir den Kontakt suchen? Zuallererst werden wir einen Augenkontakt initiieren, den wir einen Moment lang haften lassen, ohne unser Gegenüber zu fixieren, weil darin etwas von Bedrohung spürbar würde. Wir wenden dem anderen den Oberkörper in einer leichten Neigung ungeschützt zu, um Offenheit zu zeigen und damit zu demonstrieren, dass wir uns nicht gegen ihn schützen wollen, sondern uns ihm im wahren Sinne des Wortes zuwenden. Je offener wir unsere Brust präsentieren, den anderen also nicht nur unsere Schmalseite sehen lassen, die weniger Angriffsfläche bietet, umso deutlicher erklären wir unsere Bereitschaft, ihm zu vertrauen.
Strecken wir unsere Hand etwas über eine imaginäre Mittellinie zwischen den beiden Körpern aus, sprechen wir eine Einladung aus, die lautet: »Komm näher! Du siehst, ich komme dir entgegen!« Ziehen wir die Hand zurück, wenn der andere sich uns nähert, ist die Aussage ebenso deutlich eine ausgesprochene Abweisung.
Wir sollten versuchen, die Signale des anderen richtig zu interpretieren, bevor wir es zu einem physischen Kontakt kommen lassen. Signale lassen sich nämlich sehr leicht missverstehen. Sendet jemand beispielsweise Signale von Angst oder Hilflosigkeit, verleitet er sein Gegenüber oft zu einer Beschützerattitüde. Wir neigen dazu, wie Eltern zu handeln, von denen der andere Trost und Schutz erwartet. Diese Attitüde lädt dazu ein, ihn zu berühren, auch weil wir wissen, dass Berührung nicht nur beruhigt, sondern zwei Menschen auch in gleichen Rhythmus versetzen kann, und gleicher Rhythmus fördert erfahrungsgemäß das gegenseitige Verstehen. Allerdings erscheint es fraglich, ob unser Gegenüber unsere vermeintliche Elternschaft überhaupt akzeptiert. Vielleicht suchte er wirklich Trost und hat um unser Verständnis geworben, aber so viel Nähe, wie sie die Berührung ausdrückt, ist ihm zu viel des Guten. Jetzt kommt es darauf an, dass wir seine Abwehr, die sich vielleicht nur in kleinsten Körpersignalen ausdrückt, in einem winzigen Zusammenziehen der Muskulatur, eine leichte Abwendung des Körpers oder des Blickes, schnell genug erkennen, um ihn nicht einer Peinlichkeit auszusetzen, die unsere Hilfsbereitschaft zudem irrelevant werden ließe.
Er
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