Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
zieht sie zu sich heran. Sie wehrt sich nicht, und zwar aus Respekt, wie der versteckte Daumen (Dominanzfinger) der linken Hand andeutet.
Eingeschränkte Freiheit, auch wenn er sagt: »Ab heute kannst du machen, was du willst …«
Der Blick über ihre Schulter wird von ihr akzeptiert, da er gemeinsamem, sachbezogenem Interesse dient und die soziale Distanz eingehalten wird.
Beschützerfunktionen weisen wir oft nicht nur dem Verhältnis von Mann und Frau zu, sondern auch öffentlichen Autoritätspersonen, Politikern, Firmenchefs, Vorgesetzten überhaupt. Damit werden auf diese Funktionsinhaber Fähigkeiten projiziert, die sie vielfach gar nicht besitzen. Nehmen diese Entscheidungsträger tatsächlich die Aufgabe an, ihre Schutzbefohlenen in ihren Schutz zu nehmen, entsteht bei diesen sogleich der Zwiespalt zwischen Freiheitsdrang und Sicherheitsbedürfnis. Nähe gepaart mit Sicherheit schafft Gewohnheit, mit der sich leben lässt. Die Frage wird jedoch immer sein, wie stark sich auf die Dauer die eigenständigen Impulse des Einzelnen durch die Macht der Gewohnheit verlangsamen oder wie schnell das Neue die Zufriedenheit vertreibt.
Auf Augenhöhe: Beide Mittelkörper sind zueinander offen. Die Blicke konzentrieren sich auf die gemeinsame Arbeit.
Scheu vor Nähe. Sie benutzt ihre Haare als Vorhang und blickt vorsichtig dahinter hervor, als traute sie seinen Absichten nicht.
Sie hat die Barriere aufgehoben. Die beiden schauen einander freundlich an, aber sie lehnt sich zurück und vergrößert so den Abstand zu ihm. Sie hat ihre Scheu noch nicht ganz abgebaut.
Körpersignale können aber auch die Widersprüchlichkeit von Gefühlen ausdrücken. Vielleicht will unser Gegenüber uns sagen: »Ich möchte zwar berührt werden, aber Scham und Konvention halten mich zurück.« Dann zeigt sich der Widerspruch darin, dass sich der Körper zurückzieht, der Blick jedoch an unserem haften bleibt: »Bitte nicht aufgeben!« Oder umkehrt: Der Körper bleibt uns zugewandt, aber der Blick wendet sich ab, was wiederum heißen könnte: »Ich will es nicht provoziert haben, aber wenn du mich dennoch in den Arm nimmst, werde ich mich nicht wehren.«
Auch die bereits beschriebenen Beschützerinstinkte lassen sich durch solche Signale wecken, wirkliche Partnerschaft jedoch wächst nicht aus einer Eltern-Kind-Beziehung.
Ich habe von Hierarchien gesprochen, die Höherstehende dazu verführen, die Grenzen von Nähe und Distanz mutwillig zu übertreten. Der Körper signalisiert die Abwehr der Betroffenen ziemlich klar. Es ist deutlich zu erkennen, wie die Muskulatur sich zusammenzieht, die Bewegungen gehemmt werden, die Arme sich nicht mehr frei öffnen. Es ist, als ob sie festgehalten würden. Der Blick wendet sich von dem Verursacher ab, irgendwelchen Dingen, Papieren oder anderem zu. Damit teilt der Betroffene dem Vorgesetzten klar genug mit: »Du bist mir zu nahe gekommen.« Vielleicht streckt er sogar den Arm oder die Hand zwischen sich und den Angreifer, um eine Schranke zu errichten und die Distanz zu bezeichnen, die er sich wünscht. Akzeptiert der Vorgesetzte die Signale und zieht sich ein wenig zurück, erleichtert er es seinem Mitarbeiter, sich wieder zu öffnen. Wird das Signal verstanden und ernst genommen, wird auch das Vertrauen zurückgewonnen.
Die Gruppe bildet einen lockeren Gesprächskreis, der in sich geschlossen ist.
Ein Vorgesetzter will sich dazu gesellen. Sofort verwandelt sich der Kreis in eine Linie, die dem Chef wie zum Appell angetreten gegenübersteht. Die Distanz ist deutlich.
Trotz guter Stimmung bleibt die Aufstellung die gleiche.
Ein weiterer Mitarbeiter kommt hinzu. Was geschieht? Der Kreis findet erneut zusammen. Die Nähe ist wiederhergestellt.
Der Vorgesetzte holt sich einen Kaffee. Sogleich bildet sich ein freier Raum um ihn. Der Kreis wird wieder zur frontalen Linie.
Natürlich entsteht durch Zusammenarbeit auch Vertrautheit, die vielleicht auch Berührungen zulässt. Dennoch bleibt die Hierarchie stets, was sie immer war, und sie verlangt Distanz. Man kann immer wieder beobachten, dass beispielsweise der Arzt der Helferin oder der Vorgesetzte seiner Sekretärin auf die Schulter tippt, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Umgekehrt wird es jedoch kaum einmal so sein. Es muss dem Betroffenen nicht unbedingt unangenehm sein, trotzdem wird jedes Mal das Recht des Einzelnen auf Distanz verletzt.
Der Vorgesetzte sucht ein näheres Gespräch mit einem einzelnen Mitarbeiter, doch die
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