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Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Titel: Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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nicht so großartig wäre.

William Faulkner
    William Faulkner hat ein Gesicht, das mich an jemanden erinnert. Ich weiß bloß nicht, an wen. Jedenfalls war er ein skurriler Typ.
    Einer seiner Vorfahren war im Sezessionskrieg Oberst bei den Konföderierten gewesen. Vielleicht ist das der Grund dafür, daß er die US-Army ablehnte und sich im Ersten Weltkrieg bei der Royal Air Force in Toronto zum Piloten ausbilden ließ. Oder gefiel ihm die englische Uniform besser?
    In den zwanziger Jahren war Faulkner in New Orleans eine Zeitlang Gelegenheitsarbeiter und Alkoholschmuggler. Tanzte er Jitterbug? Nach Europa reiste er und führte in Paris ein Bohemeleben, strich über die Friedhöfe und lernte James Joyce kennen: »Ich unterzog mich einige Male der Mühe, das Café aufzusuchen, in dem er zu Hause war.«
    In den dreißiger Jahren arbeitete er in Hollywood an fünfzig Drehbüchern mit. Thomas Mann verehrte er als den größten Künstler des Jahrhunderts. Aber er hat den
in der Nähe Wohnenden nie besucht. Statt dessen unternahm er Jagdausflüge mit Clark Gable und hielt sich eine Geliebte. Mit seiner Frau verbanden ihn alkoholische Exzesse und Strindbergsche Szenen.
    Bald kaufte sich Faulkner in seiner Heimat einen verfallenen Herrensitz, der noch von ehemaligen Sklavenhütten umgeben war. In monatlichen Raten von sechsundfünfzig Dollar wurde der Kaufpreis über viele Jahre abbezahlt. Weder Strom noch Wasser, noch Heizung gab es dort. Er war gegen den Einbau einer Klimaanlage, weil er das Wetter nicht abschaffen wollte. Im Winter hat er seiner Familie vorm Kamin Südstaatengeschichten erzählt. Eine Kronkorkensammlung, die niemand berühren durfte, lag unordentlich auf dem Tisch ausgebreitet. Auf die Wand seines Arbeitszimmers schrieb er den Entwurf einer Story.
    Der kleine Mann führte das Leben eines großen Farmers, ging in Tweedjacken und beigefarbenen Hosen, roch nach Pferden, Pfeifentabak und Bourbon. Er beschäftigte einen schwarzen Diener und liebte es, zum Trinken in die Stadt zu reiten. »Count No-Count« (»Nichtsnutz«) nannten ihn die Oxforder 14 . Fritz J. Raddatz, der auch an seinem Grab gestanden hat, bezeichnete ihn als »Gentleman und Hurenbock«.
    Gewöhnlich begann er um vier Uhr morgens zu schreiben, mit Federn auf breitgeränderte Blätter, umgeben von
Bildern, die seine Mutter gemalt hatte, seine Pfeife, den Dunhill-Tabak, und den Whisky immer parat.
    Nachdem er 1950 den Nobelpreis bekommen hatte, war sein Wohnsitz oft von Neugierigen umlagert. Halbnackt ist er mal auf einen Baum geklettert, um zu entkommen. Schade, daß das keiner fotografiert hat.
    Am Ende seines Lebens war er des Schreibens überdrüssig: Er zerbrach seinen Bleistift. Jetzt war eine Entziehungskur nach der anderen fällig. 1962 ist er nach einem Sturz vom Pferd an Herzversagen gestorben. Oder endete er doch volltrunken in einem Bordell?
    Viele seiner Romane spielen in einer von ihm erfundenen Südstaatenlandschaft: Yoknapatawpha County/Mississippi. (Indianisch bedeutet das »Langsam durch Flachland fließendes Wasser«), die von verkommenen, alteingesessenen Familien, arroganten Parvenüs und Schwarzen bewohnt wird.

Lion Feuchtwanger
    Lion Feuchtwanger: angeklatschte Haare, randlose Brille und etwas Asiatisches in der Physiognomie. Gewiß, es hat wenig mit Literatur zu tun, wenn man sich von der Erscheinung eines Dichters abgestoßen oder angezogen fühlt. Aber wer könnte je die unangenehm harten Gesichtszüge Stefan Georges in sich auslöschen, wenn er die schöne Zeile »Eppich und Ehrenpreis« liest. Und wie viele Rezensenten ließen sich schon verlocken, Bücher von Schriftstellerinnen positiv zu beurteilen, weil sie die glutvollen Augen reizvoll fanden (Else Lasker-Schüler)? Mir ist Feuchtwanger immer unsympathisch, ja einigermaßen fies erschienen. Dieser Eindruck kulminiert in jener berühmten Fotografie: wie er lächelnd neben dem eisernen Stalin sitzt.
    Sein hymnischer Lügenbericht über die Sowjetunion 15 hindert unsere linke Intelligenzia bis heute nicht, diesen
Unterhaltungsschriftsteller, der sich von einem gängigen Thema zum nächsten hangelte, zu bewundern. Aus der Nähe von Moskau teilte er Arnold Zweig mit, er könne zu allem, was er gesehen habe, »von Herzen« ja sagen. Und die Angeklagten der Schauprozesse beschrieb er als »gutgepflegte, gutgekleidete Herren von lässigen natürlichen Gebärden«, die Tee tranken und Zeitungen in der Tasche hatten.
    Daß die Universität von South California seine

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