Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
Staatsschutz observiert worden. Ich stelle mir den erklärten Pazifisten immer mit unförmigem Schweizer Stahlhelm vor, auf einem Fahrrad. Hat er gedient? 17
Einen Monat vor seinem achtzigsten Geburtstag ist er gestorben, man hat seine letzten Worte überliefert: »Jetz müend d’ Lüüt sälber för sech luege.«
John Galsworthy
Die »Forsyte-Saga« ist sein Hauptwerk. Die bekannten grünen Leinenbände des Zsolnay Verlags kosteten im Antiquariat Kesten in Göttingen fünf Mark das Stück. In feiner deutscher Schrift hat jemand hineingeschrieben: »Zu meinem 80ten Geburtstag von meiner Tochter Marie geschenkt bekommen, August 1926«.
Galsworthys ausufernde Saga gehört, was auch immer darüber gesagt wird, zu den großen Werken der europäischen Literatur. Ich habe sie von der ersten bis zur letzten Seite gelesen.
Sosehr sie mir auch gegenwärtig ist – über Galsworthys Leben weiß ich fast nichts. Und um ehrlich zu sein, es verlockt mich auch nicht, Biographien über ihn zu studieren. Ja, wenn er Tagebuch geschrieben hätte, hat er? Der Mann mit dem Monokel, ein echter Engländer, Oxforderziehung, der sich selbst wie ein seichter Tümpel vorkam, wurde zeitweilig als Revolutionär angesehen und als gefährlichster Mann Englands bezeichnet, weil er die Klasse angriff, die ihn wegen der Heirat einer geschiedenen Frau
ächtete. Später dann, als sich alles beruhigt hatte, sammelte er Ehrendoktorate und Orden dieser Gesellschaft ein. Er schaffte es bis zum Nobelpreis.
Er, der das Reisen haßte, umrundete seiner hypochondrischen Frau zuliebe mehrmals den Erdball. Sie half ihm dafür, die Bücher abzuschreiben, kein Satz, an dem sie nicht gefeilt hätte. »Ohne sie hätte ich nie auch nur der Schriftsteller werden können, der ich bin«, heißt es in der Widmung der »Forsyte-Saga«.
Im Augenblick seines Todes 1933 habe sein Anblick fast einem mittelalterlichen Heiligen geglichen, steht irgendwo zu lesen. Seine Frau überlebte ihn um zweiundzwanzig Jahre. Das Vermögen wurde auf 95 283 Pfund 12 Schilling und 11 Pence taxiert.
Sein Gesamtwerk umfaßt einundzwanzig Bände. Er schrieb Theaterstücke, Novellen und etliche Romane, glatt und leidenschaftslos, aber wer sich auf sie einläßt, wird gut unterhalten. Sie gleiten dahin, und man vertraut sich ihnen an. Die »Forsyte-Saga« ist eine Romantrilogie mit novellistischen Zwischenstücken. Galsworthy schrieb fünfzehn Jahre daran: »Der reiche Mann«, »Nachsommer«, »In Fesseln«, »Erwachen«, »Zu vermieten«. Er hat den gehobenen Mittelstand »in diesen Seiten konserviert unter Glas zur Schau« gestellt, wie er selbst es ausdrückte. Höhepunkt, Niedergang und Verfall des viktorianischen Zeitalters finden wir am Beispiel von vier Generationen der Forsyte-Familie geschildert. Der langjährige Konflikt
zwischen Soames, dem Rechtsanwalt, egoistisch-brutal, der nur besitzen, nicht aber lieben kann, und seiner ersten Frau Irene, der selbst noch nach der Scheidung unheilvoll wirkt und Opfer fordert, zieht sich durch alle Bücher. Am Ende treten die Forsytes vom alten Schlag ab, das große Haus steht zu vermieten.
Gabriel García Márquez
Oh, die Lateinamerikaner! Sie haben’s leicht, Geschichten zu erzählen. Im Chaos zu leben inmitten Mord und Totschlag, was für Themen! Wir hingegen schleppen uns hüstelnd von einem Supermarkt zum andern und verwechseln die Steuererklärung mit wirklichem Leben, müssen Storys über Asylbewerber, Schwerbehinderte und böse Skinheads konstruieren, und immer alles hübsch correct. Mario Vargas Llosa, Octavio Paz, Carlos Fuentes und Gabriel José García Márquez, der Mann mit der Narbe im Gesicht und imposantem Schnauzbart. Hat man ihn nicht gar schon mit einem Patronengurt um den Hals gesehen? Er ist heute einer der bekanntesten Schriftsteller der Welt. Der Nobelpreisträger veröffentlichte weit über dreißig Bücher, speiste mit Bill Clinton, ist seit vierzig Jahren und immer noch mit Fidel Castro befreundet, hat eine linke Zeitschrift gegründet und besitzt einen eigenen Fernsehsender. Er wurde auch schon mal verdächtigt, eine Guerillagruppe finanziert zu haben. García Márquez besitzt Häuser in Mexiko, Cartagena, auf Kuba, in Barcelona
und Paris, alle in gleicher Ausstattung und mit gleichem PC.
In Aracataca im Norden Kolumbiens ist er geboren, im Jahr 1928, als dort Hunderte von streikenden Arbeitern durch Regierungstruppen massakriert wurden. Bei seinen Großeltern wuchs er auf, dem Colonel Márquez Mejía, der in
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