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Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Titel: Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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jungen Jahren einen Gegner im Duell tötete und in seinem Leben angeblich mehr als sechzehn Kinder zeugte. Seine Großmutter Tranquilina erzählte ihm unaufhörlich wundersame Geschichten und nannte den kleinen Márquez »Gabito«. Seine Klassenkameraden hingegen riefen den schüchternen, ernsthaften Jungen, der Gedichte schrieb und Comics zeichnete, »alter Mann«.
    Während des Jurastudiums lernte er seine spätere Frau Mercedes kennen, ein dreizehnjähriges Mädchen, dunkel, still, ägyptisch anmutend. Er verlobte sich mit ihr, Vierzehn Jahre später haben sie geheiratet. In Bogotá las er Gedichte statt Gesetze, saß in billigen Cafés, rauchte viel und hatte Umgang mit »verdächtigen Subjekten«, linken Schriftstellern also und Künstlern.
    Als Journalist reiste er viel, Ende der fünfziger Jahre in den Ostblock, dann zu Zeiten der Revolution nach Kuba. Schließlich landete der Mann aus der kolumbianischen Bananenstadt in Mexiko. Im Jahr 1965 begann er die Arbeit an »Cien años de soledad«, »Hundert Jahre Einsamkeit«. Er war gerade mit seiner Familie in den Urlaub unterwegs, nach Acapulco, als er plötzlich den Wagen wendete, sich
zu Haus in sein Zimmer zurückzog und achtzehn Monate lang unaufhörlich schrieb, jeden Tag sechs Schachteln Zigaretten rauchend. »Mafia-Höhle« nannten Freunde den vernebelten Raum. Seine Frau versorgte die Familie, verkaufte das Auto und machte Schulden. Am Ende kroch García Márquez aus seiner Kammer hervor, von Nikotin vergiftet, aber dreizehnhundert eng beschriebene Seiten in der Hand: ein großer Roman. Er wurde sein bedeutendster internationaler Erfolg. Innerhalb weniger Tage war die erste Auflage vergriffen, jede Woche folgte eine weitere, bis heute wurden mehr als zehn Millionen Exemplare verkauft – in zweiunddreißig Sprachen.

Johann Wolfgang Goethe
    Wenn ich an Goethe denke, dann sehe ich ihn im Schlafrock in seinem Garten stehen. Und als ich vor einigen Jahren in Weimar den Konrad-Adenauer-Preis überreicht bekam, fand ich mich auch unverhofft im Garten am Frauenplan wieder, und war doch erstaunt, wie klein der eigentlich ist.
    In Weimar kaufte ich übrigens für fünfzehn Mark eine Ausgabe von Goethes »Die Leiden des jungen Werthers«, eine Erstausgabe, wie ich meinte, für fünfzehn Mark! Still ließ ich sie in einer Tüte verschwinden, bloß schnell weg, dachte ich, bevor der Antiquar sich das noch einmal überlegt, was er da für wenig Geld aus der Hand gegeben hat. Als ich mich dann zu Hause an der wertvollen Ausgabe weiden wollte, kam mir der Einband auf einmal gar nicht so alt vor, auch der Vorsatz fehlte, es war leider — ein Reprint!
    Einer von unzähligen Auflagen und Nachdrucken. Denn Goethes erster Roman, der 1774 erschien, wurde zu einem der größten Bucherfolge des 18. Jahrhunderts. Er erreichte unglaubliche Auflagen und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Napoleon führte den »Werther« auf seinem
ägyptischen Feldzug mit sich und kam bei seinem Zusammentreffen mit Goethe natürlich auch darauf zu sprechen.
    Seinem Verfasser bescherte er den Durchbruch als Schriftsteller. Nachdichtungen entstanden, Illustrationen, es gab Werther-Ballette und Werther-Feuerwerke, sogar eine Meißner Porzellantasse und Werther-Parodien, wie »Die Freuden des jungen Werthers« – Goethe bekannte später, er habe sich daraus nur das schöne Titelkupfer von Chodowiecki ausgeschnitten und aufbewahrt.
    Da der »Werther« unglücklich ausgeht, ist es eines der Bücher, die man nicht so gern wieder zur Hand nimmt. Im höchsten Grade unverständlich ist mir das sogenannte Werther-Fieber, das bald in Europa eine ganze Generation erfaßte, der Selbstmord aus Liebeskummer. »Nur nicht aus Liebe weinen«, diese Ufa-Sache mit Zarah Leander, das fällt einem dazu vielleicht eher ein. Und Goethe hat es am Ende ja auch so gehalten.
    Großen Spaß hat mir allerdings gemacht, daß es damals auch eine Werther-Mode gab, blauer Rock, gelbe Hosen und Stiefel mit braunen Stulpen. Goethe selbst reiste in dieser Gewandung mit Freunden 1775 in die Schweiz, und bei seiner Ankunft in Weimar empfing ihn der junge Herzog Karl August so. Alle Welt, heißt es, hatte am Weimarer Hof in Werther-Tracht zu gehen, und wer sich keine leisten konnte, dem ließ der Herzog eine schneidern. Ich habe mich gefragt, wenn es eine »Tadellöser«-Mode gäbe, wie die dann wohl aussähe.

Nikolai Gogol
    »Gogol«, pflegt mein Bruder zu sagen, »ein preiselbeerfarbener Frack mit hellen Pünktchen?« — Na,

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