Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
ein bißchen mehr ist er schon … nämlich der »Vater der russischen Prosa«. Ist es nur eine Legende, daß Dostojewski behauptet habe, alle russischen Schriftsteller der späteren Zeit seien aus Gogols »Mantel« 18 hervorgekommen?
Als Sohn eines kleinen ukrainischen Landadligen, der selbst Komödien verfaßte, kam er im Alter von neunzehn Jahren nach St. Petersburg und arbeitete kurze Zeit als Kanzlist im Staatsdienst. Als man ihn an der Schauspielschule abwies, begann er zu schreiben, zuerst die Idylle »Hans Küchelgarten«, von Johann Heinrich Voß’ berühmter »Luise« beeinflußt.
Er war eine Zeitlang Lehrer an einer höheren Mädchenschule und Adjunktprofessor für allgemeine Geschichte an der Universität. Trotz der Erfolge seiner Dichtungen
verließ er Rußland im Jahr 1836 und lebte im Ausland, vorwiegend in Rom. Er begann in christlichen Mystizismus und quälende Grübeleien zu versinken. 1848 unternahm er eine Wallfahrt nach Jerusalem, kehrte nach Rußland zurück, verbrannte im religiösen Wahn — war er unter den Einfluß des fanatischen Erzpriesters von Rzew geraten? — seine zuletzt geschriebenen Werke, auch den zweiten Teil der »Toten Seelen«, seinem bekanntesten Roman, und starb bald darauf, in dumpfem Hinbrüten, wie es heißt, jegliche Nahrung verweigernd.
Einen volkstümlichen Realismus hat er in seinen Erzählungen, Romanen und Theaterstücken begründet. Als ironischer Beobachter stellt er mit feiner Satire die russischen Zustände auf dem Lande und in den Städten dar, beschreibt vor allem das Leben des Volkes; großartige Originale treten bei ihm auf. Seine Schilderungen kleiner Landgüter mit zwanzig Leibeigenen — im Sommer, die Rollos sind heruntergelassen und die Fliegen schwirren um den Tisch —, so was bleibt einem haften. Besonders angetan hat es mir seine Komödie »Der Revisor«, eine Satire auf das Beamtentum seiner Zeit; die Idee dazu hatte er seinem Freund Puschkin zu verdanken. Zar Nikolaus selbst befahl Aufführung und Druck. Das Stück endet mit dem wunderbaren Satz: »Alles Schweineschnauzen!« Hier geben wir ihm recht. Fragt sich nur, wer damit gemeint ist.
Witold Gombrowicz
Witold Gombrowicz, der Sohn eines polnischen Landadligen aus altem litauischen Geschlecht, ist ein Vertreter der Avantgarde seines Landes, wie Bruno Schulz oder Stanislaw Ignacy Witkiewicz — Namen, die hierzulande kaum einer je gehört hat.
Seine Kindheit verbrachte er auf dem Besitz der Großmutter, dem Gut Bodzechow. Ein geistig umnachteter Onkel lebte dort eingesperrt, ruhelos umherwandernd und in Selbstgespräche vertieft. In den Jahren der Zwischenkriegszeit arbeitete der Jurist einige Zeit in Warschau an einem Gericht. In Cafés verstörte er linke Intellektuelle mit seiner scheinbaren Vorliebe für den Adel. Der deutsche Überfall auf Polen überraschte ihn während einer Schiffsreise nach Buenos Aires. Der kurze Aufenthalt wurde zum Exil für mehr als zwanzig Jahre. Erst 1963 sah er Europa wieder. Die Ford-Stiftung hatte ihn nach Berlin eingeladen. Mit Ingeborg Bachmann ging er auf dieser Insel »im kommunistischen Ozean« spazieren. Die Gerüche Polens drangen hier an ihn. Stumm ist er mit dem wortkargen
Johnson, den er als »hohen Norden« bezeichnete, im Kaffeehaus gesessen. Grass, so hat uns Gombrowicz in seinem Tagebuch erzählt, habe sich einen Smoking zugelegt, extra »in scheußlichem Lila«, weil er sich in Trainingsanzügen nicht länger auf Abendgesellschaften zeigen durfte.
Seine Werke erschienen zuerst auf polnisch in Paris. Einen Roman mit dem Titel »Pornografia« schrieb er (der übrigens nichts mit Pornographie zu tun hat), und unvergessen ist die Komödie »Yvonne. Prinzessin von Burgund«, die dumme Prinzessin, die nur wenig zu Wort kommt im ganzen Stück – absurd, überaus lustig. Ich stelle mir eine Begegnung des Polen mit Ionesco vor. Ob sie je stattgefunden hat?
Sein berühmtester Roman ist gewiß »Ferdydurke«, diese formlose, provokative Montage aus allen möglichen Gattungen und Stilepochen – die Geschichte eines Mannes, der, weil alle ihn so behandeln, sich wieder zum Kind verwandelt.
In »Die Besessenen« finden wir das geheimnisvolle Schloß seiner Kindheit wieder, die nächtlichen Gänge eines irrsinnigen alten Fürsten. Ein Erbschleicher, eine schöne junge Dame, ein Tennislehrer, ein Professor auf der Jagd nach kostbaren Antiquitäten treten auf. Mehr und mehr stellt sich heraus, daß sie alle besessen sind vom Bösen. – Drama, Liebe,
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