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Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Titel: Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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studieren, wurde für sie ein Abschiedsfest im Hause des Premierministers gefeiert, wie die Zeitungen berichteten.
    Sich über das weitere Leben der Mansfield in der gebotenen Kürze zu äußern ist schwierig, weil sie sich von einer Turbulenz in die andere begab. Sie, die auch Frauen liebte, heiratete, um versorgt zu sein, überstürzt einen älteren Mann, einen Musiklehrer, und verließ ihn am Morgen nach der Hochzeitsnacht, weil sie längst von einem
anderen ein Kind erwartete. Die aus Neuseeland herbeigeeilte Mutter holte schockierende Erkundigungen ein über den Lebenswandel ihrer Tochter. Katherine wurde zur »Erholung« nach Bad Wörishofen in Bayern geschickt, um die sexuellen Verirrungen mit Kaltwasserkuren und Vollkornkost nach Pfarrer Kneipp zu beheben oder, wie eine Biographin meinte, um die Entbindung in aller Stille durchzuführen. Das Dorf und die Deutschen erschienen der Mansfield kühl und unnahbar. Hier begann sie erstmals konzentriert zu schreiben: scharfe satirische Beobachtungen über das Leben und Treiben in der Pension, über Kurgäste und Einheimische — Deutschland am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Die Erzählungen wurden unter dem Titel »In a German Pension« 1910 in einer englischen Zeitschrift veröffentlicht und erschienen im folgenden Jahr als Buch, wofür sie eine Honorarvorauszahlung von fünfzehn Pfund erhielt. Sie kamen bei Kritik und Lesern gut an, wegen der deutschfeindlichen Stimmung in Großbritannien. Katherine Mansfield wurde, von Tschechow inspiriert, zur Begründerin der englischen Kurzgeschichte, impressionistisch-episodenhaft, meist mit überraschender Pointe.
    Noch in Wörishofen erlitt sie eine Fehlgeburt, als sie einen Koffer auf den Schrank heben wollte. Sie nahm sich einen polnischen Liebhaber, der sie mit Gonorrhö infizierte. Bis zum Ende ihres Lebens litt sie an Schmerzen, und alle anderen Krankheiten der letzten Jahre, Rheuma,
Herzschwäche, sind wahrscheinlich auf diese Ansteckung zurückzuführen.
    Sie liebte große Hüte und ungewöhnliche Kleidung. In ihrer fast leeren Wohnung stand ein Schaukelstuhl für Gäste, den Tee servierte sie auf dem Fußboden.
    Über Katherine Mansfield reden heißt, daß man auch über die Emanzipation der Frau Worte verlieren müßte. Denken wir an die Gräfin Reventlow, Tania Blixen und natürlich auch an Virginia Woolf, mit der die Mansfield eine vorsichtige Freundschaft verband. Diese Frauen stehen jedenfalls für eine ungeheure Bereicherung der Literatur.
    Als bei Katherine Mansfield 1917 Lungentuberkulose diagnostiziert wurde – man müßte einmal auflisten, wer alles der Weltkultur durch diese Krankheit verlorengegangen ist –, hielt es sie an keinem Ort sehr lange. Sie lebte in Südfrankreich, Italien, in der Schweiz. Auch durch die Liegekur in einem Kuhstall, die ein armenischer Heilkünstler ihr verordnete, mit Diwan und Perserteppichen auf einer Empore, war nicht zu verhindern, daß sie – erst vierunddreißigjährig — nach einem Blutsturz starb. Ihr Mann, hysterisch lachend, mußte hinweggeführt werden.

Karl May
    Ernst Bloch hielt ihn für einen der besten deutschen Erzähler (»Es gibt nur Karl May und Hegel – alles dazwischen ist eine unreine Mischung.«), Hans Jürgen Syberberg und Arno Schmidt waren fasziniert von ihm. Der eine stellte ihn an die Seite des großen Träumers Ludwig II., der andere argwöhnte, in ihm einen verkappten Homoerotiker erwischt zu haben. 31 In jeder Felsspalte, die Karl May beschrieb, meinte er Hintersinniges aufzuspüren. Da ja nun die Freudschen Theorien ihre Wirkung zu verlieren scheinen, steht der liebe Arno Schmidt allerdings mit seiner Deutung ziemlich im Regen. Sie kam mir schon damals unerträglich vor.
    Karl May war das fünfte Kind eines erzgebirgischen Webers. Er wuchs in äußerster Armut auf; kurz nach der Geburt erblindete er. Erst nach vier Jahren brachte ihm eine Operation die Sehkraft zurück. Als Neunzehnjähriger wurde er Lehrer an einer Volksschule, für wenige Wochen
nur, dann warf ihn eine streng geahndete Verfehlung (er hatte irgendwo eine alte Taschenuhr mitgehen heißen) aus der Bahn. Wirtschaftliche Not trieb ihn in der Folge zu weiteren Diebstählen. Nach verbüßter Strafe begann er seine schriftstellerische Karriere mit historischen Erzählungen (»Pandur und Grenadier«) und Kolportageromanen (»Das Waldröschen I-VI«). Aber erst seine sogenannten Reiseerzählungen machten ihn berühmt. Noch heute werden sie (trotz Dauer-TV und Internet) von der

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