Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
München, von alliierten Bomberflotten in Schutt und Asche gelegt, nicht schade sei 29 . Das ist böse und kann so nicht hingenommen werden. In seinem Essay über Graf Platen zitiert er Felix Mendelssohn mit den Worten: »Platen schimpft auf die Deutschen gräßlich, vergißt aber, daß er es auf deutsch tut.« Er war sich also des Problems bewußt.
Paul Thomas Mann: der Mann ohne Hinterkopf oder der Mann mit der Warze. Warum hat er sie nicht wegmachen lassen? Die Krullsche Oberlippe. In Princeton trug er eine Strickjacke, in L. A. einen weißen Anzug und weiße Schuhe, im Hintergrund wiegten sich Palmen. Während seines Auftretens in Weimar war er in einem zerknitterten Anzug zu sehen, so ein Exemplar, das wir aus der
Kleiderspende von CARE in Erinnerung haben. Elf Koffer im Buick. Daß die Dorfkinder befehlsgemäß winkten, hat er bemerkt.
Der große Autodidakt, der sich sein Material von überall her zusammenklaubte, einfügte und die Ränder »verwischte«: ein Trost für alle Plagiatoren. Ein allumfassender Charakter, einerseits dem eignen Geschlecht zugeneigt, andererseits sechs Kinder gezeugt. Über seine Frau Katia hat er im Alter gesagt: »Solange Menschen meiner gedenken, wird ihrer gedacht sein.« Das sei an dieser Stelle getan. Wie schade, daß die Tonbandinterviews, die Elisabeth Plessen mit ihr führte, so stark gekürzt wurden. 30 Und wie bedauerlich, daß man sie in den wenigen Filmsequenzen, die es über die Manns gibt, so selten zu sehen kriegt. Thomas Sprecher schildert in seinem Buch »Thomas Mann und Zürich«, wie der Greis am Arm seiner Frau im Wald spazierengeht.
Der Zahlenmagier: Er hatte es mit der Fünf, folgerichtig ist er im Alter von achtzig Jahren gestorben.
Seiner freundlichen Stimme können wir noch in Äonen lauschen, im Hintergrund gelegentlich das aufgeräumte Gelächter der Zuhörer, auch sie auf diese Weise unsterblich: Tonio Kröger und die Sache mit Professor Kuckuck. Ein Künstler tötet zehn folgende (Epigonen): Nach dem
»Zauberberg« sich noch einmal an die Beschreibung eines Schneefalls zu wagen, ist selbstmörderisch. Ein wunderlicher Einfall war es von ihm, der die französische Sprache nicht mochte, den Lesern seitenlang damit zu kommen. Auch der mittelalterliche Teufelsdialekt im »Doktor Faustus« erscheint, mit Verlaub, abwegig.
In meiner Bibliothek ist beim Buchstaben M ein Zettel angepinnt: »Th. Mann erl.« steht da drauf, das heißt, seine Werke sind geordnet und auf irgend etwas hin durchgesehen. »Die« Buddenbrooks – wann können die schon als erl. gelten? Und doch: Vor einigen Wochen nahm ich »sie« mal wieder zur Hand, und da war ich denn doch verblüfft: Ich empfand die ersten Kapitel geradezu als ein Playback. Obwohl 1943 gelesen, erinnerte ich mich an jeden Satz, an jedes Wort. Und das war nicht angenehm, das Spitzfindige stört mittlerweile, zu viel ist inzwischen passiert. Immer mal wieder den Thomas Mann vornehmen, mit einem Glas Rotwein sozusagen – die Zeit ist vorbei. Etwas anderes ist es mit seinen Tagebüchern, sein zweites Werk, unersetzlich. Wenn ich eines Tages ins Altersheim einziehe, werde ich jedenfalls nicht »die« Buddenbrooks mitnehmen, sondern die Tagebücher.
Und doch, ganz gefeit sind wir nicht gegen das Nobelwerk. Es wird uns immer wieder verlocken, die Probe aufs Exempel zu machen. Zum Beispiel das Weihnachtskapitel: Wer heute meint, das Wohlleben des Mittelstandes sei ohne Beispiel in der Geschichte des Bürgertums, der wird
durch die Schilderung lübeckischer Kaufmannsverhältnisse im 19. Jahrhundert eines Besseren belehrt.
Weihnachtliche Behaglichkeit war ihm immer wichtig. An Heiligabend des Jahres 1945 erinnert eine Tagebuchnotiz: »7 Uhr oder später Bescherung, nach einigem Gesang mit den Kindern bei mir zu Bibi’s Bratschenbegleitung. « Gesungen? Das haben wir zu dieser Zeit jedenfalls nicht mehr getan.
Katherine Mansfield
Katherine Mansfield wuchs in Wellington, Neuseeland, auf, in einem weißen Holzhaus mit rotem Wellblechdach und bunten Scheiben in der Tür. Ein Kinderfoto zeigt sie mit weißer Schürze und Schleife im Haar. Ihre erste Erzählung veröffentlichte sie in der Schulzeitung. Sie nahm Cellostunden und kleidete sich in demselben Rotbraun wie das Instrument. Sie war die Tochter eines Kaufmanns, der sein Vermögen im Burenkrieg vermehrte, später geadelt Direktor der Bank of New Zealand wurde und zu den sechs reichsten Männern seines Landes zählte. Als sie 1908 nach London reiste, um Musik zu
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