Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
außerdem durch Nord-, Mittel- und Südamerika; in vierzig Staaten der USA ist er gewesen, in Raucherabteilen eines Pullman-Waggons hin und her fahrend, immer dem exotischen Wesen auf der Spur, das ihn am meisten faszinierte: dem amerikanischen Durchschnittsbürger, dem er mit seinem Roman »Babbitt« eine beißende Satire gewidmet hat.
Viele Aspekte der amerikanischen Gesellschaft hat er behandelt, ökonomische, medizinische, religiöse Fragen, auch die Frauen und die Schwarzen nicht vergessen. Er hielt Amerika einen Spiegel vor. Man nannte ihn deshalb das Gewissen seiner Generation. Vieles von seiner Kritik hat auch heute noch Gültigkeit.
Er heiratete zweimal und ließ sich zweimal scheiden, sein Sohn Wells wurde 1944 in Frankreich von einem deutschen Scharfschützen erschossen. Zuletzt sah man Lewis häufig in Begleitung einer jungen Schauspielerin. 1951 starb er in Rom an einem Herzleiden.
Ich habe wohl so ziemlich alles gelesen, was er geschrieben hat. Seine Bücher gab es in Antiquariaten billig zu kaufen, ganze Stöße lagen herum.
Heinrich Mann
Von Heinrich Mann existiert, soweit ich sehe, keine kinematographische Aufnahme, also kein Dokument dafür, daß er mit kleinen, schnellen Schritten ins Romanische Café eilt, dort vielleicht von Lion Feuchtwanger erwartet. Ist seine Stimme überliefert? Katia Mann, seine Schwägerin, mit der er sich ein Leben lang siezte, meinte, daß er im hohen Alter mehr und mehr lübeckisch gesprochen habe.
Ein Foto zeigt die beiden Brüder im Wintermantel mit Hut, Heinrich mit Spitzbart, Thomas trägt Dackeldeckchen über den Schuhen. Heinrich war fülliger als sein »asketischer« Bruder. Thomas nahm zeitweilig nur Bouillon und Speiseeis zu sich, wogegen der andere sicher mit gutem Appetit aß. Bekanntlich war ihr Verhältnis nicht gerade erfreulich. In der Jugendzeit – Schaukelpferd und Matrosenanzug – hat Heinrich mit Thomas einmal ein Jahr lang kein Wort gesprochen. Später dann schickte er ihm ein Buch nach dem andern.
Nach Studien und Verlagsvolontariat in Berlin hatte er
bis zum Weltkrieg jahrelang an wechselnden Orten gelebt, meist in Italien, aber auch an der Côte d’Azur und in Berlin. »Unstet« wäre zuviel gesagt. Der Frankophile, der sich gewandt auf französisch ausdrücken konnte, eine Sprache, die dem Jüngeren nicht lag, ließ sich nur selten in München bei den Geschwistern sehen.
Stolze Zeiten: ein Bild der preußischen Akademie der Künste, Sektion für Dichtkunst, 1929: Der Präsident Heinrich Mann neben seinem Bruder Thomas, Alfred Döblin, Oskar Loerke, Walter von Molo. Wenige Jahre später das Exil, Heinrich Mann stand 1933 auf der ersten Ausbürgerungsliste der Nazis.
In den USA hat er in peinlicher Armut gelebt, obwohl seine Bücher in der Sowjetunion in riesigen Auflagen gedruckt wurden. Thomas ließ ihm den einen oder anderen Scheck zugehen. Ihr Verhältnis hatte sich gebessert, Heinrich meinte sogar, sein Bruder sei etwas radikaler als er. Auch Katia kümmerte sich um ihn, besorgte ihm eine kleine Wohnung in Santa Monica: »Und wo speist man?« Seine zweite Frau hat sich 1944 das Leben genommen, vermutlich auch aus Verzweiflung über die bedrückende materielle Lage.
Von Pieck persönlich in die DDR eingeladen, zögerte er seine Übersiedlung hinaus, auch wenn ein sowjetischer Bote die geforderten dreitausend Dollar Reisegeld bereits abgeliefert hatte. Heinrich Mann hoffte auf einen »netten Brief« von Herrn Adenauer. Vor dem Desaster, womöglich
im Café Budapest unter der Stalinallee mit Willi Bredel 28 frühstücken zu müssen, rettete ihn sein Tod.
Für die deutsche Literatur ist der Non-Nobelpreisträger, auch wenn er keinen Tagebuchschatz hinterlassen hat, eine nicht wegzudenkende Größe, insbesondere zählt wohl seine human-europäische Ausstrahlung. Ein solcher Fehlgriff wie seinem Bruder mit den leidigen »Betrachtungen eines Unpolitischen« unterlief ihm nicht, abgesehen davon, daß er bei volksfrontistischen Kongressen den Vorsitz übernahm.
Was mich traurig stimmt: daß man ihn so gar nicht lesen kann. Meine wiederholten Versuche, ihm näherzukommen, scheiterten stets nach wenigen Seiten. Mein Vater pflegte den Professor Unrat zu zitieren — »traun fürwahr« – , und ich habe wenigstens eine gute Erinnerung an die Satire »Im Schlaraffenland. Ein Roman unter feinen Leuten«.
Thomas Mann
Beginnen wir mit dem Anstößigen: Daß der Lübecker seine ehemaligen Landsleute »die Deutschen« nannte und daß es um
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