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Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Titel: Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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eines Flachshändlers und einer Fleischerstochter in Oberplan im südlichen Böhmen. Er starb am 28. Januar 1868 zu Linz an der Donau, nachdem er sich, wohl aus Angst, an einem Leberkrebs zugrunde zu gehen, ein Rasiermesser durch den Hals gezogen hatte. Er gehört zu der Gruppe der Volksschullehrer unter den deutschen Schriftstellern, wenn auch als Schulrat.
    Neben seinen pädagogischen Aufgaben widmete er sich als amtlicher Konservator der Erforschung und Erhaltung von Kunstdenkmälern, ja er legte wohl selbst Hand an, wenn es hübsche bäuerliche Möbel zu restaurieren galt. Auch malte er Salzkammergutlandschaften in Öl, Burgruinen und Wiener Vorstadthäuser.
    Im übrigen war der k. k. Hofrat Träger verschiedener Orden (Franz-Joseph-Orden, Ritterkreuz des Hausordens des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach), beschäftigte sich ausgiebig mit der totalen Sonnenfinsternis
des Jahres 1842, züchtete Kakteen und redete ohn’ Unterlaß, jedenfalls wenn er Besuch bekam. Er pflegte gut zu essen, gebratene Wachteln machte ihm seine Frau. Einmal hat man das korpulente Ehepaar beobachtet, wie es mühsam eine Treppe hochstieg.
    Mit einem bestickten Mützchen auf dem Kopf ging Stifter vor seinem Haus auf und ab, zu selten für seine Hunde, die wegen Bewegungsmangels allesamt verreckten.
    Ihn, den Pädagogen, hat es sehr getroffen, daß seine Pflegetochter in die Donau ging, obwohl er sie, wie er immer wieder betonte, gut behandelt, also nie verprügelt hatte. Eines Tages war die Achtzehnjährige verschwunden. Vier Wochen später wurde ihre Leiche bei Mauthausen ans Ufer gespült. Er meinte dann, wahrscheinlich sei ihr die Regel ins Gehirn gestiegen. Verwunden hat er ihren Tod nie.
    Stifters Werk ist sehr uneinheitlich. Während der erste Teil überwiegend gerühmt wird, die Novellen nämlich, fallen die Urteile über die Romane »Witiko« und »Nachsommer« eindeutig negativ aus. Arno Schmidt bezeichnete Stifter als bedrückend humorlos. 47 Hesse meinte, Stifter beschreibe in seinen Büchern, wie drei Menschen sich auf drei Stühle setzen. Für Thomas Bernhard war er ein Kitschier
von hohen Graden, nur die Briefe ließ er gelten. 48 Thomas Mann hingegen hat ihn sehr gelobt, nicht so sehr öffentlich, sondern insgeheim in seinen Tagebüchern. Er rühmt die große Klarheit der Linie und war gerührt durch die Reinheit der Sprache. Der über tausend Seiten umfassende »Witiko«, der eine mittelalterliche Begebenheit aus der böhmischen Erbfolge behandelt, war ihm »Zuflucht und Trost, ein reines seltsames Werk von stiller pedantischer Kühnheit«.
    Friedrich Hebbel aber, der Stifter ohnehin für einen Blumen- und Käferpoeten hielt, versprach demjenigen die Krone Polens, der beweisen könne, den »Nachsommer« wirklich durchgelesen zu haben. Man muß sich in der Tat gedulden, bevor das als Bildungsroman in der Goethe-Nachfolge geltende Buch seinen Zauber erschließt. Der Protagonist Heinrich, der in den Alpen geologische Untersuchungen durchführt, sucht Zuflucht vor einem Unwetter beim Freiherrn Risach, lernt dessen wohlgeordneten Besitz genauer kennen, bildet seine wissenschaftlichen Kenntnisse in dessen Spezialbibliotheken systematisch weiter aus und entdeckt ein neues Studiengebiet, die Kunst. Er wird selbst zum Kunstübenden und findet alsdann in der jungen Natalie seine große Liebe.

    Wunderbare Anfänge zeichnen Stifters Werke aus. Wer sich schnell ein Bild machen will von ihm, der lese einmal die jeweils ersten Sätze seiner Geschichten. Wer aber gar nichts mit ihm anzufangen weiß, der sollte zur Winterszeit den Seinen den »Bergkristall« vorlesen.

Theodor Storm
    »Ich möchte schlafen, aber du mußt tanzen« – in der Schule fühlte sich so mancher angeödet von dem Verfasser dieses wunderbaren Gedichts. »Der Schimmelreiter« war nicht jedermanns Sache (Rahmen- und Binnenhandlung?), für die Studienräte jedoch sehr bequem, weil sie ihn jedes Jahr durchnehmen mußten. »Am grauen Strand, am grauen Meer«, von Männerchören mit mimischem Einsatz dargeboten, wenn auch ohne Treckfidel, ist nahezu unentbehrlich, wo es im Fernsehen um Waterkant geht.
    Natürlich gibt es in Husum ein Storm-Gedächtnishaus mit Bibliothek und Archiv, wenn man auch sein Sterbebett, lange auf dem Dachboden aufbewahrt, vor einiger Zeit auf den Sperrmüll warf, wie zu hören war.
    Theodor Storm, als ältestes Kind eines Rechtsanwalts 1817 in Husum geboren, wurde ebenfalls Advokat, ging 1853 nach dem gescheiterten Volksaufstand gegen die

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