Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
Weltkrieg, Genmanipulation, Umweltzerstörung. »Bücher müssen lesbar sein«, hat er einmal gesagt. So etwas hören Literaturkritiker in Deutschland nicht gern. Sie handelten ihn lange Zeit unter »Kitsch« und »Kolportage« ab.
Im Laufe der achtziger Jahre wurde er dann nahezu
urplötzlich von den Rezensenten ernstgenommen und überschwenglich gehätschelt. Nach und nach nistete sich der Mann mit den Narben und dem leichten Sprachfehler ein auf den Bildschirmen, gab Auskunft unter vier Augen über ruinöse Ehescheidungen (drei) und trumpfte in Talkshows als Kriegsgegner gegen andere Kriegsgegner auf.
Geboren ist er in Wien. Seine Eltern stammten aus Hamburg, eine Familie von Sozialdemokraten, der Vater Chemiker, die Mutter Lektorin in einem Filmverlag. Er wurde Chemoingenieur und arbeitete seit 1943 als Heilmittelchemiker in einem kriegswichtigen Betrieb. Da hatte er bereits einen Band mit Erzählungen geschrieben (»Begegnung im Nebel«). Nach dem Krieg wurde er Dolmetscher bei der amerikanischen Militärregierung in Österreich, schrieb während der Nachtschichten seinen ersten Roman (»Mich wundert, daß ich so fröhlich bin«) und für das österreichische Unterrichtsministerium drei Kinderbücher über Krieg, Frieden und Demokratie, zwischen 1948 und 1962 insgesamt neununddreißig Drehbücher und in derselben Zeit für die »Quick« unter sieben Pseudonymen zahllose Reisereportagen, historische, kriminalistische und wissenschaftliche Serien. Er galt damals als der am besten bezahlte Illustriertenautor Deutschlands.
Der große Durchbruch kam 1960. Simmels Theaterstück »Der Schulfreund« wurde an den großen Bühnen
zwischen Sydney und Oslo, Mannheim und Johannesburg gespielt (verfilmt mit Heinz Rühmann), und mit dem Roman »Es muß nicht immer Kaviar sein« gelang ihm ein internationaler Verkaufsschlager, wie ihn die deutsche Nachkriegsliteratur nie wieder erlebt hat. Das Buch wurde in sechsundzwanzig Sprachen übersetzt, die Weltauflage hat fünfzehn Millionen überstiegen.
Die Geschichte des Herzensbrechers und unfreiwilligen Geheimagenten Thomas Lieven, der im Zweiten Weltkrieg zwischen die Fronten gerät und sich mittels seiner Kochkünste immer wieder retten kann (was für eine Idee, den Roman mit Kochrezepten anzureichern), wurde in zwei Teilen mit O. W. Fischer verfilmt und flimmerte in den siebziger Jahren noch einmal als dreizehnteilige Serie über unsere Bildschirme.
Der internationale Erfolg verließ ihn nie. Simmel, der einen goldfarbenen Cadillac besitzen soll, ist in unserer Zeit einer der meistgelesenen Autoren der Welt. Seine vierundzwanzig Romane (die Hälfte ist verfilmt), drei Erzählbände, drei Kinderbücher und ein Theaterstück, sind in fünfunddreißig Ländern der Erde erschienen, die Gesamtauflage liegt bei über dreiundsiebzig Millionen.
1991 erhielt er den Award of Excellence der Society of Writers der Vereinten Nationen, 1992 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse. Er korrespondierte mit Bertrand Russell (die Simmel-Collection der University of Boston bewahrt den Briefwechsel),
und einmal hat Marlene Dietrich ihn angerufen und sich mit ihm zwei Stunden über seine Bücher unterhalten. Sie schickte ihm Liebesbriefe und Gedichte, die er später vorsichtig als »ungemein unanständig« bezeichnete.
Alexander Solschenizyn
Alexander Solschenizyn, der Mann mit dem schütteren Bart. Nach Vermont zog er sich zurück hinter elektrisch geladenen Stacheldraht. Dort wartete er zwanzig Jahre auf das glorreiche Ende der Sowjetunion, in der er acht Jahre ebenfalls hinter Stacheldraht verbracht hatte, plus drei Jahre Verbannung nach Kasachstan, weil er 1945 in einem Brief Josef Stalin kritisiert hatte. Es war nicht das ganz schlimme Lagerleben à la Sibirien, was er aushalten mußte, aber immerhin!
In Rjazan in Zentralrußland durfte er nach seiner Amnestierung seit 1956 als Mathematiklehrer arbeiten. In diesen Jahren begann er zu schreiben. Sein »Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch« schlug 1962 ein wie eine Bombe. Chruschtschow höchstpersönlich sah man mit dem Büchlein herumwedeln … Jetzt trauten sich auch andere ehemalige Häftlinge, Berichte ihrer Leidenszeit zu veröffentlichen. Eine literarische und gleichwohl hochpolitische Sensation schien sich anzubahnen: die Abrechnung mit dem stalinistischen Terrorsystem. Und doch war diese
Bombe nur ein erster Trommelwirbel im Vergleich zu dem, was folgen sollte: der ungeheuerliche »Archipel
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