Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
dazu fünf autobiographische Bücher, die Geschichte seines Lebens, und fünf Romane. Vor einigen Jahren hat man auch den neckischen Briefwechsel 49 mit seiner Tochter Kerstin veröffentlicht, ein damals siebenjähriges Mädchen. In meinem Elternhaus wurde immer wieder das kleine Buch »Heiraten« vorgelesen, Variationen der Geschichte von jungen Leuten, wie sie aneinandergeraten. Wegen der respektlosen Schilderung einer Abendmahlsszene bezichtigte man ihn vor Gericht der Gotteslästerung.
Italo Svevo
Italo Svevo, der »italienische Schwabe«, hieß eigentlich Hector Aron, genannt Ettore, Schmitz, war Bankangestellter und später angesehener Geschäftsmann, der eine Fabrik für Schiffslacke leitete, in Triest. Alle seine Geschichten spielen dort. Man müßte mal hinfahren und nachsehen, wie es da eigentlich aussieht, so viel hat man immer wieder darüber gelesen: vor dem Ersten Weltkrieg die viertgrößte Stadt des Habsburgerreichs, kosmopolitisches Handelszentrum, Kriegshafen der österreichischen Flotte, zumeist von Italienern bewohnt, aber auch von Deutschen, Slowenen, Kroaten, Griechen, Levantinern und Juden, und nach dem Krieg: Mord und Dodschlag. Triestinisch spricht man hier, eine Melange aus Italienisch mit slawischen und deutschen Einsprengseln, auch im Hause Schmitz, selbst wenn der Großvater aus dem Rheinland gekommen war. Svevo verstand sich wohl als Italiener, aber er liebte die deutsche Kultur; als Kind war er vier Jahre lang Schüler in einem Internat bei Würzburg gewesen.
Er war groß und kräftig, sein Gesicht ein Kompromiß zwischen Hindenburg und Thomas Mann, wie ein Zeitgenosse urteilte. Ein kleines Arbeitszimmer hatte er, mit einfachen dunklen Möbeln, der Tisch von Büchern und Papieren bedeckt, daneben ein Notenständer. Geige hat er gespielt, um sich vom Schreiben abzuhalten, das ihn seiner Meinung nach für die praktische Tätigkeit in der Fabrik verdarb. Das Speisezimmer hingegen war riesengroß, mit bunten Fensterscheiben, aus Rußland beschafften Hirschgeweihkronleuchtern. Dazu gab es zwei Musikzimmer und zwei Salons mit weichen Diwans, Kissen und Teppichen in seiner Villa.
Hier hat Svevo beim Kaffee einem jungen Wiener Journalisten, der sich gerade eine Zigarette angesteckt hatte, einen besorgten Vortrag über die Gefahren des Nikotins gehalten. Bei der Arbeit am »Zeno Cosini«, die er 1919 wenige Monate nach der »Befreiung« seiner Heimatstadt durch italienische Truppen begann und drei Jahre später in seinem Sommerhaus oberhalb von Triest beendete, soll Svevo selbst pausenlos geraucht haben.
In Zeiten, in denen das Laster per Gesetz bekämpft werden soll, liest man in seinem Buch voll Sympathie das Drama um die letzte Zigarette. Die ständigen Versuche, sich von der Sucht zu befreien, sind der Lebensinhalt des wohlhabenden und deshalb müßigen Titelhelden. Auch alles andere, was er anfaßt, mißglückt ihm. So heiratet Cosini irgendwie per Zufall – die schielende Schwester der eigentlich
Begehrten. Als diese Ehe auch noch harmonisch verläuft, legt er sich eine Affäre zu, um seine Existenz durch ein sorgsam gepflegtes schlechtes Gewissen zu bereichern. Angeregt von einem Psychoanalytiker, schreibt er seinen Lebensbericht auf. Slapstickcharakter hat dieses Buch, chaplinesk mutet es zuweilen an.
Svevo errang endlich Anerkennung und Erfolg als Schriftsteller, nachdem er schon fast vierzig Jahre veröffentlicht hatte. »Zeno Cosini« wurde der Grundstein der modernen italienischen Literatur. Robert Musil hat das Buch mit »größtem Vergnügen« gelesen, James Joyce, der während seines Aufenthalts in Triest im Jahr 1907 Svevo Englischunterricht erteilt hatte und sein Freund geworden war, hielt es für dessen bestes Werk. Daß man ihn ausgerechnet in Paris zuerst feierte, hat Svevo genauso verblüfft wie die Tatsache, daß man dort Literatur so ernst zu nehmen schien wie in Triest die Geschäfte.
Wenige Jahre später starb er an den Folgen eines schweren Autounfalls. Bei strömendem Regen war sein Chauffeur gegen einen Baum gefahren. Auf die Weigerung des behandelnden Arztes, ihm zu rauchen zu geben, soll er geantwortet haben: »Das wäre jetzt wirklich meine letzte Zigarette gewesen.«
Jonathan Swift
Wenn ich zeichnen könnte und ein Illustrator wäre, würde ich mir »Gullivers Reisen« von Swift vornehmen, aber ach, das haben schon viele andere vorher getan. Wie Gulliver als Riese die Koggen hinter sich herzieht oder mit feinen Spinnweben von listigen Zwergen gefesselt
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