Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
Kurzgeschichten und 23 Theaterstücke, nach seinen Büchern wurden Hunderte von Filmen gedreht. Er arbeitete in wahnsinnigem Tempo; Graham Greene sprach von der »menschlichen Buchfabrik«, und ein Anrufer, den man abwimmeln wollte (»Mr. Wallace hat gerade einen neuen Roman angefangen«), soll geantwortet haben: »Macht nichts, dann warte ich eben so lange.« In den zwanziger Jahren war ein Viertel aller gelesenen Bücher in England von ihm, heißt es.
Bei einer Londoner Fischhändlerfamilie wuchs das uneheliche Kind auf. Edgar hieß er nach seinem Vater, der aus einer berühmten englischen Schauspielerfamilie stammte, Horatio nach dem »Hamlet«. Schon früh kannte er ganze Szenen Shakespearescher Dramen auswendig, aber mit elf Jahren verließ er die Schule und wurde Zeitungsverkäufer am Ludgate Circus. Heute hängt dort eine Bronzeplakette.
Im Royal-West-Kent-Regiment kämpfte er im Burenkrieg, machte sich mit populären Songs einen Namen als »Soldier Poet«, wurde Kriegskorrespondent in Südafrika. Durch den Erfolg seiner Bücher war der Brotberuf bald überflüssig. Verfilmungen kamen hinzu. Einmal führte er selbst Regie. Der Kettenraucher vertrieb sich wegen der feuergefährlichen Zelluloidstreifen im Studio mit sauren Drops die Zeit.
Wallace heiratete eine mehr als zwanzig Jahre jüngere Frau, mit der er eine Tochter hatte, Penelope, genannt Penny, die wiederum eine Tochter hat, die ebenfalls Penelope heißt, genannt Halfpenny. Es gibt ein hübsches Foto von ihm, auf dem er den Arm um seine Tochter legt. Zu seinem Arbeitszimmer erhielt sie als Kind jederzeit Zutritt. Er verwöhnte sie mit Erdbeeren und Schlagsahne. Manchmal charterte er einen kleinen Dampfer, um mit ihr die Themse abwärts zu fahren.
Als Edgar Wallace in Hollywood starb, wo er am Drehbuch für »King Kong« arbeiten sollte, hinterließ er einen »Berg« von Schulden: £ 150 000 (1932: £ 1 = 20 Reichsmark?). Innerhalb von zwei Jahren waren sie durch die Tantiemen seiner Bücher abgezahlt, aber Stadthaus sowie Landsitz waren futsch. Der notorische Spieler hatte es zu toll getrieben, Hinz und Kunz eingeladen und wüste Gelage gefeiert (das Essen war vom Carlton-Hotel herbeigeschafft worden).
Von diesem erstaunlichen Autor ist nicht mehr übrig
geblieben als sein mexikanischer Spazierstock, ein Bündel alter Krawatten und seine lange Zigarettenspitze, mit der sich seine Tochter, die gleichfalls Kriminalschriftstellerin ist (»Das Geheimnis des schlafwandelnden Affen«), zuweilen bei Fernsehauftritten sehen läßt, stets die wenigen Erinnerungsstücke in einem kleinen Koffer mit sich führend.
Hierzulande sind seine Krimis durch immer wieder aufgeführte Schwarzweißfilme präsent, Hauptrolle: Fuchsberger. Sie sind »Kult«, wie man sagt.
Martin Walser
Martin Johannes Walser – in einem Schwarzweißfilm aus den frühen sechziger Jahren sieht man ihn mit Schlips und Kragen: unverschämt jung, sich für einen Literaturpreis bedanken. Nun trägt er das Hemd offen. Während man bei Grass sofort an dessen Schnurrbart denkt und an die ringgeschmückten Hände, fallen einem bei Walser die klaren grauen Augen unter den jetzt weißen, recht buschigen Augenbrauen ein. (Überhaupt das Ergrauen unserer Schriftsteller, wie ihre Gesichtszüge gerinnen!)
Am Bodensee wurde er geboren, und dort hat er sich später rechtzeitig ein Grundstück gekauft. Sehr schlau, warum hat man das nicht auch getan? Dem Gastwirtssohn und Flakhelfer fiel es bei, sich im äußersten Extrem zu bewegen. Nach dem Studium an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Regensburg und an der Universität Tübingen (Literaturwissenschaft, Philosophie, Geschichte) wurde er mit seiner Dissertation »Beschreibung einer Form. Versuch über Kafka« 1951 zum Doktor phil. promoviert, arbeitete als Reporter und Hörspielautor. 1957
veröffentlichte er seinen ersten Roman, »Ehen in Philippsburg«.
Schon 1961 unterstützte er den Wahlkampf der SPD, galt als Sympathisant der DKP zu einer Zeit, da das keineswegs zum guten Ton gehörte, sprach später mutig und fundiert über die deutsche Einheit zu Menschen, die an so was nicht dachten, trat für den gestürzten Philipp Jenninger ein und wagte sich an das heißeste Eisen bundesrepublikanischer Diskurse: die Instrumentalisierung des Holocaust als Moralkeule. Daß man ihm die Erörterung unserer Schicksalsfrage übelnahm, anstatt ihm dankbar dafür zu sein, ist eine typisch deutsche Sache.
Hans Werner Richter von der Gruppe 47 hat ihn
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