Umwege zum Glück
aufpassen. Erst als wir in der etwas ruhigeren Straße waren, wo Ankes Schwiegereltern wohnten, sagte ich:
„Es ist ja kein Wunder, Anke, daß du nach deinen bitteren Erfahrungen andere Mädchen warnen möchtest.“
Anke streckte sich nach hinten und nahm ihren Koffer. Ich hielt auf dem Parkplatz in der Nähe des Hauses.
Sie reichte mir die Hand: „Danke dir tausendmal, daß du mich hergebracht hast. Und frohes Fest, Reni!“
„Danke gleichfalls, Ankelein. Grüß Peterchen und deine Schwiegereltern.“
Anke machte die Tür auf. Dann drehte sie den Kopf und sah mich an. „Du hast recht, Reni. Ich möchte allen Mädchen sagen, daß sie sich nicht mit einem Mann einlassen sollen, den sie nicht durch und durch kennen. Mit seinen guten und schlechten Seiten, mit allem, was in ihm steckt. Ja, das möchte ich allen Mädchen sagen. Allen Mädchen – auch dir, Reni.“
Sie schlug die Autotür hinter sich zu.
Ankes Worte klangen mir noch in den Ohren, als ich allein weiterfuhr. Was hatte sie vorhin gesagt? „Wenn es zum Beispiel ein sehr wohlhabendes Mädchen ist, mit Mitgift und so was…“
Ich war ein solches Mädchen. Ich hatte einen wohlhabenden Vater mit einem großen, bekannten Werk, ich würde auch eine Mitgift bekommen.
Meine Gedanken gingen zurück zu dem Sonntag mit Klaus in Hamburg. Wir hatten geschwätzt und geplaudert, er hatte nach meinem Zuhause gefragt, und ich hatte willig losgeplaudert. Er hatte aus mir rausgekriegt, daß wir einen großen Farbfernseher haben, daß Mutti zum Geburtstag einen Nerzpelz bekam, daß wir einen Mercedes und ein Sommerhaus im Tessin besitzen.
Dann war er ja auch Mittwoch bei mir gewesen und hatte die beiden Kalender gebracht. Er hatte Kaffee bei mir getrunken und mich schnell geküßt und mir ein paar liebe – sehr liebe – Worte ins Ohr geflüstert – und mir ein Päckchen in die Hand gesteckt, mit dem ausdrücklichen Befehl, ich dürfte es erst am Heiligen Abend aufmachen. Dann hatten wir ein leises Geräusch auf der anderen Seite der Tür gehört. Klaus hatte wie ein Blitz die Tür aufgerissen und stand Frau Hansen direkt gegenüber.
„Ach, ich wollte grade klopfen und fragen, ob Sie mehr kochendes Wasser brauchen“, sagte sie geistesgegenwärtig.
Ich bedankte mich, und sie zog sich zurück.
Aber die Lust auf weitere Küsse hatte sie uns genommen.
Die beiden Kalender hatte er mir jedenfalls versprochen, bevor er etwas über mich wußte.
Ach was, zerbrich dir bloß nicht den Kopf, Reni, sagte ich zu mir selbst. Zum Kuckuck mit all dem bösen Verdacht, Klaus ist ein netter Kerl, und es ist nur Anke, die durch ihr eigenes Schicksal so ängstlich geworden ist. Wenn er nun in mich verliebt ist, wenn er mich sogar gern heiraten möchte, dann kann er es doch nicht lassen, nur weil mein Vater Geld hat! Was kann denn Klaus dafür? Oder ich?
Ich drehte das Autoradio auf. Da spielte man gerade Melodien aus „Im weißen Rössl“.
Ich gab Gas und sang aus vollem Halse:
„Was kann die Reni denn dafür, daß sie so reich ist?
Was kann die Reni denn, die Reni denn dafür?“
Fröhlich singend erreichte ich das wohlbekannte gelbe Ortsschild, das mir sagte: Du bist in deiner Heimatstadt.
Zehn Minuten später hielt ich vor unserem Haus. Schon wurde die Tür aufgerissen, und im nächsten Augenblick hing ich an Papas Hals.
„Wo ist Mutti? Und ist Madeleine schon da?“ waren meine ersten Fragen.
„Madeleine hat vor einer Stunde aus Kassel angerufen, sie werden bald hier sein. Und Mutti kommt gleich. Nur möchte ich einen Augenblick mit dir sprechen, mein Kind.“
„Bevor ich Mutti guten Tag sage? Was ist denn, Paps, ist was nicht in Ordnung?“
„Doch, doch, bestens, allerbestens sogar – komm, häng deinen Mantel auf – wir gehen einen Augenblick rein zu mir!“
Was in aller Welt bedeutete dies? Vati war irgendwie so feierlich, aber es war nicht so wie früher, wenn ich „in Vatis Zimmer“ Rechenschaft über meine Sünden ablegen mußte oder wegen des Zeugnisses eine Standpauke bekam.
Aber etwas war los. Ich fühlte mich wie ein lebendiges Fragezeichen.
„Setz dich, mein Mädel. Ich möchte dir nur etwas erzählen.“
„Papa, ich werde ganz nervös! Was ist es bloß?“
Papa lächelte, ein kleines, glückliches Lächeln.
„Sag mal, Reni – du hast eine junge und hübsche Stiefmutter, nicht wahr?“
„Mußt du mich hier reinzerren, um mir das zu erzählen?“
„Sie ist grade zweiundvierzig geworden…“
„Natürlich weiß ich, daß
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