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Unbekannt verzogen: Roman

Unbekannt verzogen: Roman

Titel: Unbekannt verzogen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Winter
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als in einem öffentlichen Verkehrsmittel.
    Albert begrüßt seine neuen Sitznachbarn, zwei Männer undeine Frau, mit einem Kopfnicken. »Ich sitze nicht so gern vorne.«
    »Sie brauchen kein Blatt vor den Mund zu nehmen«, sagt einer der Männer. »Wir wissen alle, dass die Tante verrückt ist.«
    »Der dürfen Sie auf gar keinen Fall mit jungen Leuten kommen«, sagt die Frau.
    »›Wenn ich könnte, würde ich sie in Grund und Boden bomben‹«, fügt der andere Mann hinzu.
    Alle lachen, und sogar Albert muss kichern, mitgerissen von der unerwarteten Kameradschaft unter Fremden.

31
    Bob nimmt den Anruf im Stehen entgegen. Nach zehn Sekunden muss er sich setzen.
    »Okay«, murmelt er am Ende des Gesprächs. »Danke für Ihre Rückmeldung.«
    Behutsam legt er den Hörer auf die Gabel. Carol braucht nicht zu fragen, was der Arzt gesagt hat. Bob wirkt wie erschlagen, als wäre er selbst mit den simpelsten Bewegungen überfordert. Zuletzt siegt die Schwerkraft, und er sackt im Sessel zusammen. »O Gott …«
    »Wir stehen das durch, Bob.« Sie schlingt die Arme um ihn, will ihn beschützen, wie seit Jahren nicht mehr. »Wir schaffen das.«
    »Ich kann nicht mit auf die Grillparty kommen.«
    »Aber natürlich nicht, wir bleiben zu Hause.«
    »Du nicht. Du musst hingehen.«
    »Wieso das denn?«
    »Wenn wir nicht aufkreuzen, denken sie noch, es ist was passiert.«
    »Es ist ja auch was passiert!«
    Bob fängt an zu weinen.
    »Entschuldige«, sagt sie.
    »Ich will nicht sterben.«
    »Du musst auch nicht sterben.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Weil … weil ich an die Hoffnung glaube.« Was für eine Ironie des Schicksals. Ausgerechnet die Hoffnung – das Einzige, was ihr Freiheit von ihm verheißt – ist nun genau das, was sie an ihn fesselt. Sie drückt ihn an sich. Diesmal weiß sie genau, was sie sagen will, auch wenn sie einen hohen Preis dafür bezahlen muss. »Du schaffst es, weil ich an deiner Seite kämpfe. Der Krebs kann sein blaues Wunder erleben, wenn er sich mit mir anlegt.«
    »Schade, dass Bob nicht mitkommen konnte«, sagt Tony, während er die Rippchen mit einer klebrigen Fertigmarinade einkleistert. »Macht einen auf sterbenden Schwan, was?«
    »Er braucht bloß ein bisschen Ruhe. Ich glaube, er hat heute Mittag was Falsches gegessen«, antwortet Carol.
    »Was Falsches gegessen?! Da kannst du einen drauf lassen. Der hat an irgendeiner Schlampe rumgelutscht. Und damit meine ich nicht dich, Süße.«
    Offenbar schert es ihn nicht im Geringsten, dass er ja über ihren Ehemann spricht. Er lacht glucksend in sich hinein.
    »Nein«, sagt sie. »Das hat er heute Mittag ganz gewiss nicht gemacht.«
    »Das ist ja das Problem. Regelmäßiges Fremdvögeln stärkt das Immunsystem. Stimmt’s, Mandy?«
    »Ich hab’s nicht richtig mitgekriegt, Tony.« Mit einem Plastikbecher Wodka in der Hand kommt sie angewackelt. Ihr leicht abwesender Gesichtsausdruck verrät, dass es nicht ihr erster Drink ist.
    »Rumficken«, trompetet Tony ungeniert. »In der Gegend rumficken killt Krankheitskeime.«
    Mandy denkt angestrengt nach. »Kann schon sein. Macht jedenfalls mehr Spaß als Penizillin. Wenn man’s auf Rezept kriegen könnte, würde ich bestimmt viel öfter zum Arzt gehen.«
    Tony wirft sich in die Brust: »Ich bin der einzige Onkel Doktor, den du brauchst, du geiles Luder.«
    Bei den beiden geht das wohl als Liebesgeflüster durch. Während Mandy sich kichernd nachschenkt, stellt Carol sich ans Fenster und betet um Regen. Besser: um eine Sintflut, die das ganze Haus wegspült. Sie sieht es regelrecht vor sich, wie ihre Gastgeber von den reißenden Fluten mitgerissen werden und Tony seiner Mandy über das Tosen hinweg brüllend zu verstehen gibt, dass immer noch genug Zeit für ein bisschen Analsex ist.
    Sie will nach Hause und sich – ein ungewohnter Gedanke –um Bob kümmern, aber der hat sie beschworen, sich keinesfalls etwas anmerken zu lassen. »Du musst dir einen schönen Abend machen!«, so sein Befehl.
    Ihn zu befolgen, wäre schon im günstigsten Fall nicht gerade einfach, aber heute kann sie an dieser Herausforderung nur scheitern. Im dunklen Garten kokelt der Grill vor sich hin, der Altar, auf dem in Kürze der Abend als Brandopfer dargebracht wird. Außen schwarzes, innen rohes Fleisch, an dem man sich die Zähne ausbeißt.
    »Cheese«, ruft Mandy, die Kamera im Anschlag. Schon flammt der Blitz auf, und Carol, sekundenlang blind, fragt sich, ob wohl so der Tod aussieht.
    Mandy wirft einen prüfenden

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