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Unbekannt verzogen: Roman

Unbekannt verzogen: Roman

Titel: Unbekannt verzogen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Winter
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gezeigt, dass man ruhig mehr vom Leben verlangen darf, und das Erste, was Albert von ihm verlangen will, ist Connie.
    Er weiß, dass sie die Briefe in Croydon abgeschickt hat. Mal angenommen, dass sie dort auch wohnt – und ihre boshaften Anspielungen auf diesen Stadtteil deuten darauf hin –, so steigt damit die Wahrscheinlichkeit, sie aufzuspüren, von eins zu einer Million auf … na, jedenfalls steigt sie ganz erheblich.
    Mickey kommt mit einer Genesungskarte herein.
    »Unterschreibst du?«, fragt er. »Ist für Chris.«
    »Was hat er denn?«
    »Sich beim Skateboarden das Bein gebrochen.«
    Albert klappt die Karte auf und kritzelt hinein: Wenn’s dem Esel zu wohl ist …
    »Hast du schon von deiner Überraschungsparty nächste Woche gehört? Wir gehen zum Inder!« Mickey schneidet eine Grimasse. »Ich kann den Fraß nicht ab.«
    »Mich hat keiner gefragt, ob ich gern indisch esse.«
    »Natürlich nicht, dann wär’s ja keine Überraschung mehr. Außerdem ist es Darrens Lieblingsrestaurant.«
    »Aber meine Party.«
    »Und er ist der Boss. Ist ja immerhin auch eine Ehrung. Wieein Dienstwagen, nur halt ein Curry.« Er wirft einen Blick auf die Karte und seufzt. »Ich muss los. Gary soll auch noch unterschreiben. Obwohl dem Blödmann garantiert nichts einfällt. Der wichst sich um den Verstand, das ist sein Problem.« Er hält inne, als wäre ihm zu diesem Thema gerade etwas in den Sinn gekommen. »Wie ist das eigentlich, wenn man alt wird? Spielt man dann noch viel an sich rum?«
    Albert geht nicht darauf ein. »Hör mal, ich wollte dich auch was fragen. Was meinst du, wie viele Leute in Croydon wohnen?«
    Mit so einer Frage ist er bei Mickey an der falschen Adresse. Der kennt sich besser damit aus, ob in Londons Abwasserkanälen Aliens hausen oder welche Promis einen Hang zu perversen Sexualpraktiken haben. Auf derlei Gebieten hält Mickey sich für eine Autorität – und ist vermutlich enttäuscht, dass CNN und die BBC sich bei ihm nicht die Klinke in die Hand geben –, aber eine Frage nach empirischen Fakten – das ist nicht so sein Ding.
    »Keine Ahnung«, sagt er schließlich. »Zwanzig Millionen?«
    Albert hätte ihn genauso gut nach der Einwohnerzahl von Kalkutta fragen können oder nach der geographischen Lage von Atlantis.
    »Geh mal lieber zu Gary.«
    »Wieso? Glaubst du, der weiß das?«
    »Nein, wegen der Unterschrift.«
    »Ach so …« Er zieht weiter, den Blick auf die Karte gesenkt, als wüsste er nicht mehr so recht, was er überhaupt damit will.
    Davon ausgehend, dass Mickey keinen blassen Schimmer hat, veranschlagt Albert die Einwohnerzahl von Croydon auf ein paar hunderttausend, auf jeden Fall weniger als eine halbe Million. Und so wird der Heuhaufen, in dem er die Nadel aufzuspüren hat, von Minute zu Minute kleiner.
    »Na, wenn ich so weitermache, habe ich sie im Handumdrehen gefunden.«
    »Wie bitte?«
    Albert dreht sich um. Hinter ihm kommt Darren in sein Kabuff gerauscht und legt einen seiner großspurigen Auftritte hin.
    »Nichts, nichts«, winkt er ab. »Hab bloß ein kleines Selbstgespräch geführt.«
    Darren wirkt nicht überrascht – er scheint nichts anderes erwartet zu haben.
    »Wo warst du eigentlich gestern?«, will er wissen. »Sag nicht, ich muss dir so kurz vor dem Ruhestand noch eine Abmahnung erteilen …«
    »Wieso? Ich war hier, wie immer.« Eisern hält er Darrens Blick stand. »War sicher bloß mal kurz aufm Klo.«
    »Ich hab drei oder vier Mal vorbeigeschaut.«
    »Tja, das ist der Ärger, wenn man älter wird. Da machen die Gedärme, was sie wollen.«
    Genüsslich sieht er zu, wie es Darren schaudert.
    »Manchmal«, legt er noch einen nach, »kommt man tagelang kaum noch von der Schüssel runter …«
    »Schon gut, Albert, erspar mir die Details.« Er sieht auf die Uhr. »Also, wenn sonst so weit alles klar ist …«
    »… musst du noch zu einer Besprechung.«
    Darren ist verdattert. So aufmüpfig hat er Albert noch nie erlebt.
    »Nur, dass du’s weißt«, sagt er. »Wir möchten an deinem letzten Tag eine kleine Abschiedsfeier für dich veranstalten. Nichts Großartiges, natürlich, die Post muss sparen. Ein Tässchen Tee, ein paar Sandwiches vielleicht, Kuchen …« Er schmunzelt in sich hinein, genießt sein kleines Täuschungsmanöver. »Das ist dir doch hoffentlich recht?«
    »Tee und Kuchen klingt gut. Um ehrlich zu sein, kriege ich von allem anderen eh nur furchtbare Blähungen.«
    Darrens Lächeln gefriert. Offenbar hat er ein mulmiges Gefühl bei der

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